Ratingen: 2009 wird politisch spannend

Sieben Fraktionen und sechs Parteien sind im Stadtrat, vier Bürgermeisterkandidaten treten an – mit unterschiedlichen Chancen.

Ratingen. Früher war nicht alles besser, wie manche Zeitgenossen gerne sagen, aber vieles anders. Wobei man die Zeitspanne zu dem "früher" gar nicht lang bemessen muss. Beispiel Politik, genauer Ratinger Kommunalpolitik: Vor einigen Jahren war das politische Leben in Ratingen noch übersichtlich: CDU, FDP, Grüne und SPD. Damit kam man gut zurecht.

Dann tauchte die Mittelstandspartei auf der politischen Bühne auf, die sich zur "Fraktion Schill Ratingen" wandelte und dann zur "Mittelständische Wählergemeinschaft" (MWG) wurde - schon vergessen?

Vor fünf Jahren kam aber richtig Bewegung in die Parteienlandschaft: Nach internem Zwist spaltete sich von der CDU die Bürger Union ab und sackte bei der Kommunalwahl ein furioses Ergebnis ein: Sie stellte 14 Sitze im Stadtrat und nach der erfolgreichen Stichwahl auch den Bürgermeister. Die MWG trat zur BU über und vermehrte deren Ratsmitglieder auf 16 - wie bei der SPD.

Und dann war da noch der Ratsherr der Ratinger Linken, der die Zahl der Ratsmitglieder auf 66 und die der Parteien auf sechs erhöhte. So viele gab es noch nie. Jetzt bringt die neue Fraktion "Freie Wähler Ratingen" die Zahl sogar auf sieben. Ironie des Schicksals: Wieder nach einem Knatsch in der CDU, die dadurch fünf ihrer 23 Ratssitze verlor. Sieben Fraktionen im Rat, vier davon wollen das bürgerliche Lager repräsentieren: Das schafft Verwirrung.

Spannend ist dabei die Frage, welche Auswirkungen das auf den anstehenden Wahlkampf und die Chancen der Kandidaten hat.

Da ist Stephan Santelmann, den die CDU stolz und selbstbewusst als ihren Hoffnungsträger präsentiert hat. Der Leiter des Kölner Sozialamtes hat Ausstrahlung, fachliche Kompetenz und jugendlichen Elan. Die CDU-Spitze wird nicht müde, den 42-Jährigen als "Profi mit Herz" anzupreisen, was immer das auch heißen mag. Ungeachtet seines Charmes und seiner frischen Art: Santelmann kommt aus Köln, hat es folglich schwer, sich mit lokalen Themen zu positionieren.

Die CDU-Führung sieht es als Vorteil, dass ein Außenstehender ins Rennen um das höchste Amt geht - "losgelöst von allen Verflechtungen", hieß es bei der Vorstellung des Kandidaten. Ob das Wunschdenken oder Faktum ist, wissen nicht einmal Parteimitglieder zu unterscheiden. Tatsache ist, dass Santelmann mit einer schweren Hypothek in den Wahlkampf geht: Seine Partei ist nicht geschlossen, die Parteiführung nicht unumstritten, Harmonie in den vergangenen Wochen ein Fremdwort.

Und wenn aus CDU-Mitgliedern zu hören ist, man habe doch einen guten bürgerlichen Bürgermeister, dann klingt das nicht nach ungebrochener Begeisterung für den Spitzenkandidaten.

Bei der anderen großen bürgerlichen Partei, der Bürger Union, herrscht auch nicht mehr nur Friede und Freude. Zwischen Fraktions- und Parteispitze gibt es Spannungen, auch an der Basis rumort es hier und da. Dafür kann Spitzenkandidat Harald Birkenkamp mit dem Amtsbonus ins Rennen gehen: Einweihung von Schulbauten fast im Monatstakt, die neue Feuerwache, Ansiedlung neuer Firmen.

Was in den Jahren seiner Zeit als Bürgermeister an Projekten angestoßen oder umgesetzt wurde, kann sich sehen lassen, auch wenn natürlich nicht alles sein oder der BU Verdienst ist. In Sachen Rathausneubau musste Birkenkamp und seine BU eine herbe Schlappe einstecken, Kritik gibt es auch öfter an seinem Umgang mit den politischen Gremien.

Birkenkamp ist eher der Machertyp, der lieber allein oder mit wenigen Beteiligten entscheiden möchte als den ganz großen Konsens in langen Debatte zu suchen. Damit eckt er an, so mancher Erfolg gibt ihm aber Recht.

Angeeckt ist früher oft auch Christian Wiglow. Doch als Spitzenkandidat der SPD gibt sich Wiglow jetzt eher staatsmännisch als rebellisch: Haartracht und Bart sind gebändigt, der Dresscode ist kein Buch mit sieben Siegeln mehr und Brauchtumsveranstaltungen sind fest im Terminplan verankert. Wiglows Trümpfe sind aber andere: scharfe Zunge, heller Verstand, profunde Kenntnis der hiesigen Verhältnisse und eine in Harmonie badende Ratinger SPD.

Erfahrung im Verwaltungsbereich hat er ebenso wie Santelmann, das ganz große Rad wie Birkenkamp hat er noch nicht gedreht. Dafür ist Wiglow ein geschickter Taktierer und brillanter Rhetoriker. Wenn es den Interessen der SPD nutzt, sucht er Mehrheiten mal bei der BU, mal bei der CDU - und findet sie auch. Zudem hat er die Grünen auf seiner Seite. Dafür klingt das SPD-Wahlprogramm streckenweise sehr grün - der Preis für eine Unterstützung, die in Ratingen einiges Gewicht hat.

Mehr als das der FDP. Die Liberalen wollen Santelmann unterstützen, haben aber selbst ebenfalls mit parteiinternen Krisen zu kämpfen. Birkenkamp ist für manchen Liberalen aber mehr als eine Alternative.

Und sonst? Manfred Evers kandidiert für die Ratinger Linke, hofft aber eigentlich nur auf den Wiedereinzug in den Stadtrat. Die Fraktion der "Freien Wähler" ist derzeit noch die große Unbekannte im Kampf um Stimmen und Sitze.

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