Streit ums frischeste Brötchen

Ein Discounter bietet neuerdings zu Niedrigpreisen Backwaren auf Knopfdruck an. Die Bäckerinnung klagt dagegen.

Ratingen. „Ab sofort backen wir den ganzen Tag Brot und Brötchen: frisch aus dem Ofen.“ Auf Hochglanzwerbezetteln wirbt der Discounter Aldi in den Filialen Calor-Emag-Straße (Mitte) und an der Rehhecke in Lintorf für sein neuestes Angebot im Sortiment: Brötchen, Brezeln, Baguette und Brote, die per Knopfdruck aus einem Automaten purzeln, der so groß ist wie eine Schrankwand. Die Werbezettel wären eigentlich kaum nötig: Allein der Duft von frisch Gebackenem lockt die Kundschaft zu dem Apparat. Viele bleiben skeptisch davor stehen, andere drücken beherzt die Knöpfe und packen die Brötchen in die Tüte.

Mit Kampfpreisen will der Discounter sein neustes Angebot der Kundschaft schmackhaft machen: 15 Cent fürs Weizenbrötchen, 39 Cent für die Laugenbrezel, 99 Cent für ein eineinhalb Pfund Roggenmischbrot. Da kann kein Bäcker mithalten. Brötchen kosten dort knapp doppelt so viel.

„Wir wollen sukzessive alle Filialen damit ausstatten“, erklärt Rolf-Dieter Nowicki, Leiter der Filialentwicklung bei Aldi-Süd. Wie der „Backofen“ funktioniert, sei ein „Geheimnis“, sagt Nowicki. „Das ist eine Eigenentwicklung — zusammen mit Backfirmen.“ Mehr könne er nicht preisgeben, aber es sei kompliziert. Schließlich sollten auch vor Ladenschluss auf Knopfdruck noch frische Brote und Brötchen ausgegeben werden, andererseits dürfe nicht auf Vorrat gebacken werden.

Die heimischen Bäcker sehen die Discounter-Backwaren teils gelassen, teils mit wachsender Sorge. „Die Produkte kann man nicht miteinander vergleichen“, sagt Bäckermeister Günter Vogel selbstbewusst. „Unsere Kunden kaufen dort kein Brot.“ Umsatzeinbußen hätte er noch nicht — dank der Stammkundschaft. Gleichwohl mache dem Bäckerhandwerk der allgemeine Preiskampf zu schaffen.

Vogel ärgert sich vielmehr über irreführende Bezeichnungen. „Ich weiß nicht, wie der Automat funktioniert, aber mit ,frisch gebacken’ hat das nichts zu tun.“ Normalerweise müssten Brötchen 18 Minuten backen, ein Mischbrot brauche eine Dreiviertelstunde Backzeit. Vermutlich würden vorgebackene Teiglinge verarbeitet. Deswegen habe die Bäckerinnung Klage gegen den Discounter eingereicht. Der Bäckerverband argumentiert, dass in den Geräten, die keine Öfen seien, fertige Backwaren nur aufgewärmt oder gebräunt würden. Beanstandet werde auch die Produktbezeichnung: Ein Roggenmischbrot muss mindestens 50 Prozent Roggenmehl enthalten, bei Aldi sind es 34 Prozent.

Bäcker Marc Vogel macht sich noch andere Gedanken: „Wir sind das Land mit der größten Brotvielfalt — aber wie lange noch?“ Die ganze Vielfalt gehe durch die industrielle Produktion immer weiter zurück.

Vor dem Konkurrenzdruck kapituliert hat die alteingesessene Bäckerfamilie Oberbanscheidt. „Wir haben uns zerfleischt, 365 Tage im Jahr gearbeitet“, erinnert sich Juniorchef Daniel. In besten Zeiten hatte man sechs Filialen, vor fünf Jahren habe man das ganze Geschäft aber verkauft. „Wenn die kleinen Betriebe sterben, geht auch unheimlich viel Wissen im Handwerk verloren“, bedauert er. „Aber das ist wohl der Lauf der Zeit.“

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