Unwetter im Mai: Kanäle haben funktioniert

Im Mai setzte Starkregen West unter Wasser. Defekte Pumpen hatten keine Auswirkungen, aber fehlende Sicherungen gegen Rückstau.

Ratingen. Tiefschwarze Wolken, Blitz, Donner, Hagel und Sturzfluten vom Himmel: Am 20. Mai ging um 19 Uhr die Welt unter. Innerhalb einer Stunde prasselten in Ratingen West mehr als 42 Liter auf jeden Quadratmeter, in Lintorf — wohin die Gewitterzelle weiterzog — waren es kaum weniger. Straßen waren knöcheltief überflutet und unpassierbar geworden, zahlreiche Keller und tiefer liegende Bereiche waren vollgelaufen. In etlichen Häusern drückte das Abwasser durch den Rückstau im Kanalsystem aus Toiletten und Abflüssen in die Wohnungen.

In den Wochen und Monaten nach dem Unwetter wurde viel über die Ursachen für die Überflutungen spekuliert — schließlich hatte die Stadt doch in den vergangenen Jahren Millionenbeträge in den Ausbau von Rückhaltebecken und größeren Kanalrohren gesteckt. Von Fehlern im System war die Rede, auch von ausgefallenen Pumpen, die letztlich mitverantwortlich für die vollgelaufenen Keller gewesen sein sollen. In seinem aktuellen Abschlussbericht analysiert das Tiefbauamt die Fakten und stellt die Schwachstellen dar, die zu Überflutungsschäden geführt haben.

So haben die beiden Rückhaltebecken Poststraße und Dechenstraße problemlos funktioniert. Die Anlage an der Broichhofstraße erfüllte ebenfalls ihren Dienst: Alle drei Becken waren gefüllt. Bei weiterem Zulauf wurde dann das Kanalnetz bis zu einer bestimmten Höhe „eingestaut“. Danach lief das Wasser in einen Pumpenschacht, in dem fünf Pumpen das Wasser weiter transportieren sollten. Doch wegen einer fehlerhaften technischen Installation sind die Pumpen nicht angesprungen.

Das Regenwasser staute sich also weiter im Kanalnetz. „Aber nur an einer einzigen Stelle ist es zu einem geringen Wasseraustritt gekommen“, sagt Tiefbauamtsleiter Heinz-Willi Varlemann. An allen anderen Kanaldeckeln sei kein Wasser ausgetreten. Der Ausfall der Pumpen habe also keine schädlichen Auswirkungen gehabt. Varlemann: „Vielleicht hätte es ein oder zwei Schadensfälle weniger gegeben. Aber das ist jetzt spekulativ.“

Aus Sicht des Amtes resultierten die meisten Wasserschäden aus den schieren Regenmengen, die niedergegangen waren. Der Bergisch-Rheinische Wasserverband spricht in einer Stellungnahme von Niederschlägen, „die seltener als einmal in 100 Jahren auftreten“.

Die Wassermassen konnten weder schnell genug ablaufen (wegen durch Hagel und Laub verstopfter Gullys) noch versickern, sondern flossen diffus ab — eben auch in Lichtschächte und Kellerabgänge. Varlemann: „Dagegen ist kein Kraut gewachsen.“ Das Kanalnetz sei ausgelegt für Starkregen, wie er alle 20 oder 30 Jahre vorkomme.

Kanalexperte Hartmut Georg sagte: „Wenn man auch die Jahrhundertregen beherrschen will, müsste man Kanäle groß wie U-Bahn-Schächte bauen. Das ist aber unbezahlbar.“ Gleichwohl wären zwei Drittel aller gemeldeten Schäden vermeidbar gewesen, wenn Rückstausicherungen in den betroffenen Häusern vorhanden oder wenigstens richtig eingebaut gewesen wären.

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