Reif für die Kirche: Eine junge Frau lässt sich in der Osternacht taufen

Im Alter von 19 Jahren hat Jil-Lisann Kawol aus Ratingen entschieden, drei Sakramente empfangen zu wollen.

Ratingen. Die Taufe als Baby, mit neun Jahren die Erstkommunion, mit 16 zur Firmung — so sieht in der Regel eine normale Karriere in der katholischen Kirche aus. Anders bei Jil-Lisann Kawol: Die 19-Jährige wird in der Osternacht in der Heilig-Geist-Kirche in Ratingen-West getauft, im selben Gottesdienst gefirmt und zur Erstkommunion gehen.

18 Jahre lang hat Religion im Leben der jungen Frau, die in Ratingen geboren und aufgewachsen ist, keine Rolle gespielt. „Meine Eltern haben mich nicht getauft. Sie sagten, ich solle das selbst entscheiden können“, erinnert sich Jil-Lisann.

Der Vater ist zwar katholisch, die Mutter evangelisch, aber Religion sei „nie ein Thema“ gewesen. Auch ihre fünf Geschwister seien nicht getauft worden. „In der Schule hatte ich nie Religionsunterricht, sondern Philosophie“, sagt sie.

Dennoch erwachte in ihr der Wunsch, Christin zu werden. Vor einem Jahr fasste sie sich ein Herz, schaute im Internet nach, welche Gemeinde für sie zuständig ist und schrieb eine knappe Mail ans Pfarrbüro: „Ich würde mich sehr gern katholisch taufen lassen. Ich bin 18 Jahre alt und kann dies somit selbst entscheiden.“ Noch am selben Tag hat sich Jil-Lisann mit Pfarrer Ludwin Seiwert getroffen.

Woher kam dieser plötzliche Wunsch? Gab es ein besonderes Erlebnis, eine einschneidende Erfahrung? „Ich weiß es selbst nicht“, sagt Jil-Lisann.

„Genau diese Frage habe ich auch gleich gestellt“, sagt Pfarrer Seiwert. „Aber ich bin auch ein bisschen froh, dass es eben keinen Grund gibt. Dass sie nicht überredet wurde, sondern dass der Wunsch, getauft zu werden, ganz aus ihr selbst gekommen ist.“

Dann begann die zehn Monate lange Taufvorbereitung: Einmal pro Woche setzten sich die beiden im Pfarrbüro zusammen, sprachen über Gott und die Welt, dachten über viele Themen nach, beteten zusammen, stopften aber auch große Wissenslücken: die zehn Gebote, das Kirchenjahr, die Fastenzeit, Sakramente, und, und, und.

„Jil-Lisann wusste nicht einmal, wer Moses ist“, erinnert sich Seiwert. Wobei Religion nicht nur mit Wissen, sondern auch mit Werten zu tun habe: „Wichtig ist, in Beziehung zu Gott zu treten und sich auf den Weg zu machen. Wohin der Weg führt, das ist besonders spannend.“

Auch für den Pfarrer waren die Gespräche mit der jungen Frau bereichernd: „Mir ist deutlich geworden, dass es in einer Stadt wie Ratingen möglich ist, völlig religionsfrei aufzuwachsen“, sagt er nachdenklich.

Dass Jil-Lisann in der Osternacht in die Kirche aufgenommen wird, ist kein Zufall. „Ostern ist der älteste Tauftag der Kirche“, sagt Pfarrer Seiwert. Deshalb gebe es häufiger Erwachsenentaufen an diesem Tag.

Aufgeregt sei sie bisher nicht, räumt die 19-Jährige ein. Mit dem Pfarrer hat sie den Ablauf schon genau besprochen: Erst kommt die Taufe, bei der ihr der Pfarrer etwas Weihwasser über den Kopf gießt, danach legt er ihr zur Firmung die Hand auf. Normalerweise wird dieses Sakrament durch Bischöfe gespendet, „bei Erwachsenen habe ich aber auch Firmvollmacht“, erklärt Seiwert. Die Erstkommunion erhält Jil-Lisann bei der normalen Kommunion der Gemeinde — allerdings am Altar.

Ihre Eltern und Geschwister werden bei diesem außergewöhnlichen Schritt in der Kirche dabei sein, auch viele Freunde wollen kommen. „Überhaupt hab ich sie nur Unterstützung erfahren.“ Und für Pfarrer Seiwert wird in dieser Osternacht die große Christusfigur an der Altarwand seine besondere Symbolik ausdrücken: „Er hängt nicht am Kreuz, sondern hat die Arme ausgebreitet: Er lädt alle ein.“

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