Velberts bunter Strickbaum fasziniert ganz Deutschland

Die von der Kunstpädagogin Ute Lennartz-Lembeck (50) mit einer wollenen Hülle verhüllte Trauerweide in einem Freizeitpark sorgt für großes Aufsehen.

Velbert. Die bunteste Trauerweide der Welt steht — in Velbert. Der mächtige Baum auf dem Gelände des neuen Freizeitparkes an der Höferstraße ist mittlerweile zu einer kleinen Berühmtheit geworden. In Internet-Blogs, im Fernsehen, aber auch in Zeitungen und Zeitschriften wurde bundesweit und im Ausland über die Weide berichtet.

Fotos von ihr sind im Nachrichtenmagazin Der Spiegel, im Greenpeace-Magazin, im Stern, in der Süddeutschen Zeitung, in der Online-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen und in vielen anderen Blättern erschienen. Sogar der Tiroler Tageszeitung war die Velberter Baum ein Artikel wert.

Grund: Die 60 Jahre alte Trauerweide ist seit Mai in ein kunterbuntes Strickkleid gehüllt. Wie bei einem gigantischen Ringelstrumpf winden sich die Maschen in allen Regenbogenfarben vom mächtigen Stamm acht Meter hoch bis in die Äste und Zweige nach oben.

Gefertigt hat die kunterbunte Wollhülle Ute Lennartz-Lembeck aus Remscheid. Die 50-jährige Kunstpädagogin zählte sich zur sogenannten Strick-Guerilla — einem Trend subversiver Straßenkunst. Die Anhänger wollen mit selbst gemachten Wollobjekten den öffentlichen Raum verschönern, indem sie Laternenmasten, Zäune oder Poller bunt umstricken.

Im Fall der Velberter Weide war es jedoch etwas anders: Ute Lennartz-Lembeck hatte von öffentlicher Seite quasi den Auftrag bekommen, den Baum zu umgarnen. „Die Technischen Betriebe Velbert haben bei mir angefragt, ob ich für einen neu angelegten Park so ein Wollobjekt fertigen könnte. Die hatten offenbar noch Gelder übrig“, erinnert sich Lennartz-Lembeck.

Tatsächlich hatte TBV-Mitarbeiter Gisbert Böker von den Strick-Aktivisten gehört und Kontakt zu der Remscheiderin aufgenommen. „Wir brauchten was Buntes zur Eröffnung des Parkes. Die Natur war zu dieser Jahreszeit noch nicht soweit.“ Gemeinsam habe er dann mit der Künstlerin den Baum vermessen — und abgewartet.

Kosten? „Null Euro“, sagte Böker. Die Maschen waren ein Geschenk der Künstlerin an die Stadt. Bezhalt werden mussten lediglich der Einsatz des Hubwagens und die beiden Mitarbeiter zum Anbringen der Wollteile.

Bis es im Mai soweit war, musste Lennartz-Lembeck mehr als ein halbes Jahr lang die Stricknadeln fliegen lassen. 20 Kilo Polyacrylwolle in 27 verschiedenen Farben hat sie verarbeitet: geschätzte 50 Kilometer Wollfaden, 200 Stunden lang, 400 000 „Doppelstäbchen“. Rund 200 Euro habe die Wolle gekostet — „geschenkt“.

Nach dem Ausmessen des Baumes seien bei ihr doch leise Zweifel aufgekommen. „Das waren schon heftige Maße.“ Von Oktober 2010 bis April 2011 hat sie jeden Abend vor dem Fernseher gestrickt — zwei Stunden täglich mussten schon sein. Die fertigen Teile wurden bis zur Montage am Baum in ihrer Wohnung gestapelt. Mit zwei städtischen Helfern hat Lennartz-Lembeck dann dem Baum die „Socken“ angezogen.

Einmal im Monat fährt sie noch von Remscheid nach Velbert, um an der Höferstraße nach „ihrer“ Weide zu sehen. „Mich freut besonders, dass Vandalismus überhaupt kein Thema ist.“ Zwar bleichen die Farben allmählich aus, weil die Wolle nicht durchgefärbt und lichtecht ist, aber von Beschädigungen — auch durch Tiere — ist noch nichts zu sehen. Die locker gestrickte Kunstwolle saugt sich bei Regen auch nicht voll und schadet weder Borke noch Käfern.

Wenn sie die Weide besucht, ist meistens jemand da. Viele Leute seien zunächst etwas irritiert, aber im positiven Sinne. „Einmal hat ein Damenklub ein Erinnerungsfoto vor der bunten Weide gemacht.“ Und noch etwas hat sie beobachtet: „Man hat gute Laune unter dem Baum — der strahlt einfach etwas Besonderes aus.“

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