Vom Gastarbeiter zum Chef

Geschätzt 4600 Unternehmen im Kreis Mettmann werden von Inhabern mit ausländischen Wurzeln geführt.

Kreis Mettmann. Dass sie einmal 150 Mitarbeiter in ihrem Unternehmen beschäftigen würden, damit hätten Ismael, Feridun und ihr Vater Hanlar Öztürk 1992 nicht gerechnet. Damals machten sie sich mit ihrem Automobilzuliefer-Unternehmen selbstständig, zunächst mit nur vier Mitarbeitern in einem Gebäude in Velbert-Mitte. „Dann sind wir stetig gewachsen. Das war aber sehr mühsam“, sagt Feridun Öztürk. Sein Vater, Hanlar Öztürk, kam 1972 als so genannter Gastarbeiter nach Deutschland. Wert habe er immer darauf gelegt, dass seine beiden Söhne einen Beruf erlernen, sagt er.

Das haben auch beide nach ihrem Schulabschluss getan. „Nach meiner Ausbildung haben wir uns dann selbstständig gemacht. Wir hatten einfach den Mut, dieses Risiko einzugehen“, sagt Feridun Öztürk. Heute ist Öztürk Industries in der Automobilbranche bekannt. In Velbert werden beispielsweise Türgriffe, Embleme und Kunststoffverkleidungen hergestellt. Porsche und VW fahren mit Teilen aus dem Unternehmen, in der Türkei gibt es ein weiteres Werk, „und wir sind ein Ausbildungsbetrieb, worauf wir sehr stolz sind“, sagt Feridun Öztürk. Mitarbeiter aus zehn Nationen gehören zu den Angestellten. Dies habe aber nichts mit seinem eigenen Migrationshintergrund zu tun, sagt Öztürk: „Bei der Bewerbung zählt für mich nur die Qualifikation.“

So wie Öztürk Industries gibt es nach einer Studie des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung an der Universität Duisburg-Essen schätzungsweise 4600 Unternehmen im Kreis Mettmann, die von einem Migranten gegründet wurden. Soziologin Marina Liakova, die die Analyse durchführte, bemerkt aber, dass es sich nur um einen Richtwert handele. Die Zahl liege wahrscheinlich höher, weil bei der Anmeldung nur die aktuelle Staatsbürgerschaft abgefragt wird — und viele Unternehmensgründer haben sich einbürgern lassen.

Wie aus der Analyse hervorgeht, machen sich die meisten Migranten aus der Arbeitslosigkeit heraus selbstständig. Überwiegend sind die Unternehmen klein und beschäftigen keine weiteren Mitarbeiter. Insofern sind Unternehmen wie die Öztürk-Gruppe mit drei Standorten und einem Jahresumsatz von rund acht Millionen Euro eine Ausnahme.

Zumal die größten Schwierigkeiten nicht in der Existenzgründung liege. Viel schwieriger sei es, diese zu sichern oder auszubauen. Deshalb empfiehlt Liakova der Wirtschaftsförderung des Kreises, sich verstärkt um die Unternehmer mit Migrationshintergrund zu kümmern.

Wirtschaftsförderer Dirk Haase versichert, „dass die Ergebnisse in die Arbeit der Wirtschaftsförderung einfließen werden“. Denn die Zahl der Unternehmen zeige deren Bedeutung. Wichtig sei es, dass in Beratungsgesprächen den Bedürfnissen der Unternehmer mit Migrationshintergrund Rechnung getragen werde. Daneben sollen Migranten angeregt werden, sich in den verschiedenen Netzwerken — wie dem Unternehmerkreis Mettmann oder den städtischen Werbegemeinschaften — zu engagieren. Haase: „Andererseits müssen aber auch diese Vereinigungen auf die Migrantenunternehmen zugehen.“

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