Vorsicht bei der Fischgabel

Wie ist ein offizielles Essen ohne Peinlichkeit zu meistern? Unsere Redakteurin ließ sich von Benimm-Trainerin Eva Imhoff in die hohe Schule der Etikette einweisen.

Kreis Mettmann. Vor wenigen Minuten war die Welt noch in Ordnung. Schließlich hat sich doch jeder im Laufe der Jahre ein Repertoire an Anti-Peinlichkeits-Strategien zurechtgelegt, mit denen schwierige Situationen zu meistern sind. Meines war recht schlicht: Die angespannte Stille im Aufzug und meine Unfähigkeit zum Smalltalk einfach weglächeln, die Suche nach dem geeigneten Weinglas oder dem Besteck beim Mittagessen mit dem Vorgesetzten durch ein unkompliziert zu essendes Menü umgehen.

Gut, das eine wirkt vielleicht auf das Gegenüber etwas dümmlich. Und die Suppe füllte den Magen auch nicht so wie die leckere Seezunge, auf die aus taktischen Erwägungen verzichtet wurde. Aber zu einer richtig peinlichen Situation war es dank der gut antrainierten Anti-Peinlichkeits-Strategien in all den Jahren nicht gekommen. Dachte ich.

Und dann kam Eva Imhoff, ihres Zeichens Etikette- und Benimm-Trainierin. Die Langenfelderin gibt Knigge-Kurse für Kinder und berät Einzelpersonen zum Benehmen in der Arbeitswelt. Dafür trifft sie sich meist in Restaurants. „Dann müssen wir keine Situation durchspielen. Der Kunde benimmt sich so wie immer und ich schreite ein, wenn mir etwas auffällt, das nicht so sein sollte“, sagt die 53-jährige Hotelkauffrau. Ihr ganzes Wissen will sie heute auch einer Redakteurin weitergeben.

Geglückt ist zumindest schon einmal die Begrüßung. Ein nicht zu lascher, nicht zu harter Händedruck. Die Trainerin ist zufrieden. Dazu ein freundliches Lächeln — das wurde ja auch schon unzählige Male im Aufzug geübt — dazu ein paar lockere Worte, dass der Weg leicht zu finden war.

Doch jetzt geht es zum schwierigen Teil: das korrekte Eindecken des Tisches mit den drei Gläsern und diversem Besteck. Doch auch da gibt es ein Lob: Die Regel „von außen nach innen“, die sich ins Hirn eingebrannt hatte, gilt offensichtlich noch, das bauchige Glas ist für den Rotwein, das kleinere für den Weißen.

„Das Besteck liegt einen Daumen breit von der Tischkante entfernt“, sagt Imhoff. Aber warum prangt in einer Gabel ein großes Loch? „Das ist eine Fischgabel. Mit ihr gleitet der Restaurantgast über den Fisch, dabei stellen sich die Gräten auf, die er dann einfach zu fassen bekommt und beseitigen kann“, erklärt Imhoff. Mit einem aufmunternden Blick verrät sie, dass ihr schon mehrere Menschen gegenübersaßen, die weitaus weniger Ahnung hatten. „Einige meiner Kunden kommen zu mir, weil sie endlich wissen wollen, warum es in all den Jahren mit ihrer Beförderung nicht geklappt hat“, sagt sie. „Denn das kann auch mit dem Benehmen zusammenhängen.“

Ein zu tiefgründiger Smalltalk, der beispielsweise politische Färbungen aufzeigt, sind fehl am Platz. Und auch der Versuch, sich mit dem Chef zu verbünden, indem über Angestellte gelästert wird, schießt übers Ziel hinaus. „Auch eine Visitenkarte sollte nicht unbeachtet weggesteckt werden — und vor allem nicht in die Hosentasche“, mahnt Imhoff.

Auf meiner innerlichen Check-Liste sieht es eigentlich ganz gut aus. Und dann entdeckt Imhoff doch eine Verhaltensregel-Baustelle: „Bei offiziellen Anlässen sollte niemals häufiger als dreimal zum Imbiss gegriffen werden“, sagt sie. Bitte? Und was ist mit Keksen? Schließlich kann doch davon ausgegangen werden, dass sich die Veranstalter freuen, wenn die nett angerichteten Teller auch leer werden. Doch Eva Imhoff bleibt hart. Mehr als drei Kekse sind nicht erlaubt.

Und dann gibt sie mir den wichtigsten aller Tipps auf den Weg: „Fragen ist erlaubt und sogar gewünscht, bevor man sich noch blamiert.“ So könne der Kellner in die Pflicht genommen werden, den Fisch zu filetieren oder zu erklären, wie eine Artischocke gegessen wird. Und auch bei der Wahl des Weins ist es erlaubt, dem eigenen Geschmack zu folgen: „Erlaubt ist, was gefällt. Wenn Sie lieber Weißwein trinken, dann ist absolut nichts Schlimmes daran, diesen auch zu Fleisch zu bestellen.“

Grenzen gibt es aber: Auf Eiswürfel im Rotwein sollte man tunlichst verzichten.

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