Ratingen: Alle Ermittlungen beendet

Bernd Lingott, Ratinger Kripochef, geht nach 42 Jahren Polizeidienst in den Ruhestand.

Ratingen. 42 Jahre bei der Polizei - es gibt nur wenige Kollegen, die es an Dienstjahren und Erfahrung mit Bernd Lingott aufnehmen können. Doch jetzt gibt der Ratinger Kripochef (genaue Dienstbezeichnung: Erster Kriminalhauptkommissar) seine Dienstmarke ab: Er geht am Freitag in den Ruhestand.

Im Computersystem ist er bereits ausgeloggt, die Dienstwaffe hat er auch schon abgegeben. Im WZ-Gespräch blickt er auf über vier Jahrzehnte eines spannenden Berufslebens zurück - mit vielen Erfolgsmomenten, etwa wenn eine Täterbande dingfest gemacht werden konnte, aber auch deprimierenden Augenblicken angesichts unfassbarer Verbrechen.

Lingott hat den Polizeijob von der Pike auf gelernt. Mit 18Jahren Grundlehrgang im Kreis Jülich, danach Streifenpolizist. Vor 40 Jahren kam er in den Kreis Mettmann, arbeitete sich mit Zusatzprüfungen in den gehobenen Dienst hoch. 1977, mitten im "Deutschen Herbst", wechselte er zur Kripo.

1990 wurde er Kommissariatsleiter, vier Jahre später übernahm er die Leitung der Zentralkommission "Betrug und Raub". In Ratingen hat er Wachleiter kommen und gehen sehen: Dirk Druyen, Ralf Stetzer, Irmgard Baumhus, Hans-Georg Polenz, Manfred Frorath... Lingott blieb und ist als Kripochef stadtbekannt.

"Die Arbeit hat sich im Laufe der Jahre sehr verändert. An manchen Fällen haben wir früher mit sechs Mann ein halbes Jahr ermittelt, das geht heute so nicht mehr." Die Polizeibehörde wurde mehrfach umstrukturiert, Zuständigkeiten neu verteilt. "Die Arbeit ist heute nicht schlechter, aber anders", sagt er. Und bestimmte Delikte hatte es früher nicht gegeben - etwa Internetkriminalität.

Lingott wirkt, als könne und konnte ihn nie etwas aus der Ruhe bringen. Bedächtig wägt er die Worte ab, trägt seine Gedanken mit sonorer Stimme vor. Ab und zu blitzt der Schalk in seinen Augen auf - etwa als er sich an ein Ratinger Betrügerpaar erinnert, das er mit Hilfe des Landeskriminalamtes (LKA) zur Strecke gebracht hatte.

Die hatten brave Leute mit Immobiliengeschäften um Millionen gebracht. "Das Dreisteste war: Auf der Treppe zu deren Büro prangte an der letzten Stufe der Spruch ,Grüß Gott, tritt ein, bring Geld herein!’ - das war wohl das einzig Ehrliche an denen."

Gar nicht lustig fand er dagegen die Serien von bewaffneten Überfällen auf den Allkauf in Breitscheid oder von Einbrüchen in Lagerhallen - beides konnte er mit dem LKA aufklären.

Einmal bescherte ihm ein Bankräuber auch eine Dienstreise nach Israel. Nach einem Überfall auf die Sparkasse Homberger Straße war der Täter zwar schnell ermittelt, aber untergetaucht.

"Wir bekamen dann eine Ansichtskarte aus Tel Aviv, auf der der Räuber den Überfall gestand und uns gebeten hat, ihn aus dem israelischen Gefängnis zu holen. Er saß dort wegen eines Passvergehens ein." Lingott holte den heimatverbundenen Bankräuber persönlich ab.

Ein weiterer Höhepunkt seiner Dienstzeit war das Ausheben der so genannten Beulen-Bande: Rund 80 Tatverdächtige hatten über 100 Auffahrunfälle provoziert und die Versicherungen betrogen. "Ein Ford wurde zwölf Mal abgerechnet", erinnert er sich noch.

Zu den schlimmsten Momente in seinem Berufsleben zählte ein Verbrechen in Wülfrath. 1990 waren dort zwei achtjährige Jungen einem Sexualmord zum Opfer gefallen. Sie waren drei Tage vermisst, dann wurden ihre Leichen in der Nachbarschaft gefunden.

Lingott musste den noch immer hoffenden Eltern die Todesnachricht überbringen. Auch der Fahrradwurf in West vor drei Jahren hat ihm schwer zu schaffen gemacht - "trotz aller professionellen Distanz".

Was hält der Kripochef von Krimis im Fernsehen? "Ab und zu schaue ich mir einen an - zur Unterhaltung." Dass Fernsehkommissare immer nur an einem Fall arbeiten, ärgert ihn nicht so sehr wie eine andere Unglaubwürdigkeit: "Die finden mit ihren Luxuswagen immer einen Parkplatz."

Wie stellt sich Bernd Lingott seinen Ruhestand vor? "Ich bin noch in der Findungsphase. Auf jeden Fall viel lesen und mehr Radfahren."

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