„Die Zeche hat für Kempen keine Bedeutung“

Beigeordneter Stephan Kahl steht vor einer spannenden Sitzung zur Zechenanlage in Tönisberg. Zuvor stellte sich der 61-Jährige den Fragen der WZ.

„Die Zeche hat für Kempen keine Bedeutung“
Foto: Reimann, Friedhelm (rei)

Kempen/Tönisberg. Am Montag um 18 Uhr tagt zum ersten Mal der eigenständige Denkmalausschuss. Nach der Trennung vom Bauausschuss hat es die erste Tagesordnung gleich in sich: Im Mittelpunkt dürfte die Tönisberger Zeche stehen. Im Vorfeld der Sitzung mit Zündstoff-Potenzial stellte sich der Technische Beigeordnete Stephan Kahl den Fragen der WZ.

„Die Zeche hat für Kempen keine Bedeutung“
Foto: Lübke/Reimann

Herr Kahl, wie exklusiv von der WZ berichtet, wird die Verwaltung dem Ausschuss erneut empfehlen, die Zeche nicht unter Denkmalschutz zu stellen. Warum bleiben Sie beim Nein zum Denkmalschutz?

Stephan Kahl: Als Kenner des Ruhrgebietes habe ich mich mit dem Schachtstandort in Tönisberg und seinem Denkmalwert über einen langen Zeitraum intensiv beschäftigt. Ich bin im Ergebnis der festen Überzeugung, dass die Anlage für die Allgemeinheit nicht den Stellenwert hat, um die Eintragung in die Denkmalliste zu rechtfertigen. Bürger und Besucher unserer Stadt bestätigen immer den Eindruck, Kempen ist keine Stadt des Steinkohlebergbaus, sondern eine lebendige Altstadt, in der andere Baudenkmäler von großer Bedeutung sind.

Welche weiteren Argumente haben Sie für das Nein zum Denkmalschutz?

Kahl: Ich kann hier nur die wesentlichen Argumente gegen den Denkmalschutz wiedergeben. Der Schacht hatte nur eine sehr kurze Funktion für den Bergbau. Er war lediglich zehn Jahre in Betrieb. Die Entscheidung, die Anlage in Tönisberg, zu betreiben, war ein bergbaupolitischer Irrtum. Man verfolgte in den 1960er Jahren noch das Ziel, die Abbaugebiete der Steinkohle weiter nach Westen auszudehnen. Dem war nicht so. Sehr bald begann das Zechensterben und die Material- und Personenförderung wurde wieder eingestellt. In der jahrhundertelangen Geschichte des Bergbaus ist die Bedeutung der Tönisberger Zeche zeitlich und funktional unbedeutend. Daraus ist kein Denkmalwert abzuleiten.

Und wie schätzen Sie den Stellenwert der Anlage für den Ort Tönisberg und für die Stadt Kempen ein?

Kahl: Wie gesagt, hat die Zeche für Tönisberg eine begrenzte Bedeutung. Ursprünglich war es Planung des Bergbaus, von der Zeche aus das Gebiet in Richtung Ortskern weiter zu erschließen. Also einen größeren Ort des Bergbaus zu entwickeln. Weil der Schacht aber nur wenige Jahre in Betrieb war, blieb das Stückwerk. Zur Schachtanlage gehört die Wartsbergsiedlung, nicht der gewachsene Ort von Tönisberg. Und für die niederrheinisch geprägte Stadt Kempen haben der Bergbau und die Zeche keine Bedeutung.

Das Amt für Denkmalpflege beim Landschaftsverband Rheinland (LVR) ist da anderer Meinung. Gutachter Professor Walter Buschmann sieht in mehreren Punkten einen Denkmalwert für die Zeche.

Kahl: Wir sind uns bewusst, dass wir uns gegen die Meinung eines Experten stellen. Als Verwaltung müssen wir aber das öffentliche Interesse im Blick haben. Und in dieser Betrachtung ist meines Erachtens kein Denkmalwert gegeben. Ich kann sehr gut verstehen, dass die Zeche für ehemalige Bergleute und deren Angehörige eine besondere Bedeutung hat. Dort ist man eingefahren, dort hat man gearbeitet. Ich habe großes Verständnis, dass für den Erhalt dieser persönlichen Erinnerungen gekämpft wird. Aus der Sicht der Allgemeinheit ist nach meiner Bewertung kein großes Interesse gegeben, die Zeche als Denkmal zu erhalten.

Die Bürgerinitiative in Tönisberg ist da völlig anderer Meinung.

Kahl: Unterschiedliche Meinungen zu bewerten und hierüber zu entscheiden, ist für mich kein Kampf mit Gewinnern und Verlieren. Sondern eine sachgerechte Abwägung in einer demokratischen Gesellschaft. Persönliche Anfeindungen haben hier nichts zu suchen. Diesen Grundsatz müssen alle Beteiligten wieder beherzigen.

Wegen formaler Fehler wird das Thema ja neu aufgerollt. Zuletzt standen Sie seitens der Opposition von SPD und Grünen in der Kritik. Mit welchen Gefühlen gehen Sie in die Sitzung am Montag?

Kahl: Meine Vorgänger haben mir kein leichtes Erbe überlassen. Mir wäre auch wohler, wenn auf Drängen von Professor Buschmann die Frage des Denkmalschutzes vor vielen Jahren geklärt worden wäre. Dem ist nicht so. Diese Entscheidung hat der LVR über zehn Jahre vor sich her geschoben. Es ist nicht meine Art, Vorgänge in der Schublade zu bunkern. Deshalb habe ich diese Verfahren zum Denkmalwert persönlich mit Sachverstand und engagiert bearbeitet. Ich bin der tiefsten Überzeugung, dass unsere Argumentation richtig ist. Insofern gehe ich konzentriert, aber gelassen in die Sitzung. Stimmungsmache kann mich nicht provozieren. Die neue Vorlage haben wir so verfasst, dass wir die Zweistufigkeit im Denkmalverfahren einhalten. Sachfremde Argumente, wie zum Beispiel Nutzungsvisionen, Folgekosten fragliche Finanzierung dürfen keine Rolle spielen. Im Sitzungsverlauf wird darauf konsequent geachtet.

In der Sitzung am 17. März 2014 war das noch anders.

Kahl: Durch die große Bedeutung der Entscheidung zum Denkmalschutz, durch unterschiedlichste Einschätzungen und Interessenlagen war die Vermischung von sachgerechten und sachfremden Argumenten nicht zu verhindern, obwohl die Verwaltung die rechtliche notwendige Trennung eingefordert hat. Den Beteiligten ist hieraus kein Vorwurf zu machen. Die umfassende und intensive Diskussion war der großen Bedeutung der Entscheidung geschuldet.

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