Hausbau wurde genehmigt — aber mit Fehlern

Ein 1988 gebautes Haus steht nach 24 Jahren auf dem Prüfstand. Die Verwaltung hat Mängel beim Brandschutz entdeckt.

Kempen. Wolfram Selter ist ratlos. Der 68-Jährige besitzt eine Wohnung im Mehrfamilienhaus an der Comeniusstraße 1-5. Doch seit rund einem Jahr weiß er nicht, ob sein Eigentum überhaupt etwas Wert ist.

Denn im Sommer 2011 wurde — rein zufällig — festgestellt, dass das 24 Jahre alte Gebäude „formell illegal“ ist. So drückt es das Amt für Stadtplanung und Bauordnung in einem Brief an die Hausverwaltung Stenhorst aus, der der WZ vorliegt.

Beanstandet wird, dass die 1988 erteilte Baugenehmigung nicht umgesetzt wurde. Konkret geht es um brandschutztechnische Mängel: Zwei Feuerwehraufstellflächen an der Ostseite des Hauses wurden beim Bau einfach nicht errichtet. Und diese können nun nachträglich nicht so einfach hergestellt werden, da sich unter der entsprechenden Fläche eine Tiefgarage befindet, deren Statik dazu nicht ausgelegt ist.

Zudem sollten die Dachfenster im Spitzboden als Rettungsfenster angelegt werden — diese entsprechen aber nicht den von der Verwaltung geforderten Maßen, sind viel zu klein. Wie es dazu kommen konnte, dazu findet man im Schreiben des Bauamtes klare Worte: „Die festgestellten Brandschutzmängel sind Ergebnis einer fehlerhaften Ausführung und Bauplanung. Die nach seinerzeitigem Recht erteilten Auflagen wurden nicht umgesetzt.“

Zuständig für die Umsetzung wäre der Bauträger gewesen: die Firma Ralf Schmitz, die derzeit den Klosterhof in der Altstadt baut. Schmitz ließ die Rechtslage nach eigenen Angaben durch einen Fachanwalt prüfen und teilte der Hausverwaltung mit, für das Mehrfamilienhaus an der Comeniusstraße bestehe Bestandsschutz, es sei also nur ausschlaggebend, was 1988 von der Stadt Kempen genehmigt wurde.

Die heutige Rechtslage sei nicht maßgebend, heißt es in dem Schreiben der Firma Schmitz von Dezember, das der WZ ebenfalls vorliegt.

Der Brandschutzsachverständige der Stadt habe aber auf Grund der aktuellen Rechtslage begutachtet. „Das heißt im Ergebnis, dass sich die Behörde mit der ihrerseits genehmigten, 2,50 Meter breiten Feuerwehrzufahrt auf eigenem Grundstück zufrieden geben muss“, schreibt Ralf Schmitz. Auch hinsichtlich der Dachflächenfenster bestehe „kein Anspruch auf Änderung“.

Das sieht man im Bauamt anders: Das Gebäude habe keinen Bestandsschutz. Es könne auch gar nicht so genehmigt werden, wie es errichtet wurde, sondern sei „materiell illegal“.

Den Eigentümern sei ein „Aliud“ entstanden, das heißt, sie bekamen etwas anderes, als sie eigentlich gekauft hatten. Dennoch sei es nun an der Eigentümergemeinschaft, „geeignete Maßnahmen zur Beseitigung der Gefahrenlage“ umzusetzen.

Wie genau die aussehen sollen, weiß Wolfram Selter nicht. „Unsere Hausverwaltung teilt uns nichts mit“, bemängelt er. Zwar habe man von den Wohnungseigentümern schnell 40 000 Euro eingesammelt, die der Beseitigung der Mängel dienen sollten, Kostenvoranschläge oder genauere Informationen zu geplanten baulichen Veränderungen habe er aber nie zu Gesicht bekommen.

„Aber eine Mahnung habe ich erhalten, weil ich meinen Anteil nicht einfach so überweisen wollte“, sagt Selter. „Und Mahngebühren soll ich darum nun auch noch zahlen.“ Ebenfalls nicht geklärt sei, ob die Firma Schmitz, die für die Umsetzung der Baugenehmigung verantwortlich gewesen sei, nun nicht auch einen Teil der Kosten tragen müsste.

Hausverwalter Willi Stenhorst beschwichtigt: „Es ist einfach so, dass die Eigentümer erstmal Ansprechpartner für die Behörden sind.“ Man habe die Eigentümer auch stets informiert, baulich sei aber in der Tat noch nichts umgesetzt worden. „Da müssen noch manche Dinge abgesprochen werden, die Vorarbeiten laufen.“ Zudem habe er Hoffnung, dass die Maßnahmen „von Dritten refinanziert“ werden. Man sei in entsprechenden Gesprächen.

Immerhin versprach man den Eigentümern bei einer Versammlung im September, fehlende Feuerwehrflächen bis Ende des Jahres zu erstellen.

Von Seiten der Stadt will man derzeit keine Aussagen zum Sachverhalt machen. „Laufendes Verfahren“, heißt es als Begründung aus der Pressestelle. Viele Fragen bleiben daher weiter unbeantwortet: Warum fielen die Mängel erst nach so vielen Jahren auf? Ist das Gebäude wertlos? Was können die Bewohner tun?

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