Kulturgut: Steine vor Verfall retten

In der Steinmetz-Werkstatt Messing werden zurzeit jüdische Grabsteine behandelt. Die Arbeiten machen gute Fortschritte.

Kempen. Sorgfältig entfernt Steinmetzmeister Manfred Messing mit Pinsel und Drahtbürste Staub, Spinnweben und Moos vom Sandstein. Dann werden Löcher im Stein mit speziellem Zweikompenentenkleber unterspritzt.

Nach den Friedhöfen in Wesel und Krefeld ist Messing jetzt damit beschäftigt, die Grabsteine des Kempener Jüdischen Friedhofes zu erhalten. Getreu dem jüdischen Glauben werden Grabstellen weder gepflegt noch restauriert, auch wenn die rund 500 in Rheinland und Westfalen geschlossenen Friedhöfe unter Denkmalschutz stehen.

Darauf verwies Herbert Rubinstein, Geschäftsführer der jüdischen Gemeinden von Nordrhein, gestern Morgen in der Werkstatt von Manfred Messing an der Kerkener Straße. Geschlossene Friedhöfe sind diejenigen, auf denen nicht mehr beerdigt wird.

In Kempen wurde im vergangenen Jahr eine Ausnahme mit der Beerdigung von Kurt Mendel gemacht, dem einzigen Überlebenden des Holocaust in Kempen. Sein Grabstein wird der einzige auf dem Friedhof sein, der aus diesem Jahrhundert stammt.

Ansonsten ist der letzte Grabstein aus dem Jahr 1944. Zunehmend erkennen die jüdischen Gemeinden wie auch die Kommunen, dass die Friedhöfe das Kulturgut der jüdischen Bevölkerung weiter tragen. "Über die Friedhöfe kommt das Gespräch mit den Menschen zustande", freut sich Rubinstein.

Erzählen die Grabsteine doch oft auch Stadtgeschichte. "Das waren Kaufleute, bei denen die Kinder für Kommunion und Konfirmation eingekleidet wurden", sagt Dieter Peters, der Friedhofsbeauftragte des Landesverbandes. Und Rubinstein fügt hinzu: "Die Synagogen gibt’s nicht mehr, aber die Friedhöfe bleiben als Zeugen."

Generell geht es darum, so Messing und Rubinstein, die Grabsteine im Ist-Zustand zu erhalten. "Dabei gibt es keine Patentlösung", so Messing, "denn jeder Friedhof, jeder Grabstein ist anders."

Vor der Konservierung der Grabsteine steht eine aufwändige Dokumentation, die Messing gemeinsam mit Patricia Schürmann vom Grünflächenamt durchführte. Die Steine wurden fotografiert und so viel wie möglich über den Bestatteten und den Steinmetz oder eventuelle Besonderheiten notiert.

Fünf bis sechs Steine stehen derzeit in der Werkstatt von Messing. Ein Wunsch von Rubinstein ist es, dass man die herausragenden Grabmäler mit Tafeln versieht, die sowohl die hebräischen Inschriften als auch deren deutsche Übersetzung zeigen.

Die Erhaltung der Grabsteine wird 25.000 Euro kosten, davon werden 60 Prozent vom Land bezahlt. Die Erneuerung der Friedhofsanlage mit neuem Zaun und Eingang kostet die Stadt noch einmal 40.000 Euro. Ausgaben, denen der Denkmalausschuss ohne Diskussion einstimmig grünes Licht erteilte.

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