Oedt: Keine ganz alltägliche Vernissage

In der Oedter Sparkasse werden Werke von Häftlingen der JVA Anrath gezeigt. Der Kunstkurs gibt den Frauen ein Stück Normalität.

<strong>Oedt. Für die, die von Anfang an dabei sind, ist es eine ganz normale Vernissage. Mit feinen Schnittchen, Orangensaft und Sekt. Dafür hatte die Sparkassenfiliale in Oedt gesorgt, die Zweigstellenleiter Georg Ploenes als Gastgeber vertrat. Die Werke beschäftigten sich mit dem Thema "Mensch macht - Macht Mensch" und zeigten jeweils einen Wandel, von einer intakten idyllischen Landschaft zu einer zerstörten. Die Technik, Acryll auf Sperrholz, das Format 50 mal 70 Zentimeter, also alles nichts Außergewöhnliches.

Ein Schlüsselerlebnis hatten die, die später dazu kommen oder die, die früher gehen wollten. Die Türen waren zu. Ein Mann musste kommen, einen Schlüssel ins Schloss stecken und die Türe öffnen. Denn die Künstlerinnen, die hier ihre Werke zeigen und bei der Vernissage dabei sind, sind Insassen der Justizvollzugsanstalt in Anrath und verbüßen längere Haftstrafen.

Und so sah man dann die Künstlerinnen intensiv Händchen halten mit ihren Kindern und mit ihren Eltern, die zu der Vernissage eingeladen waren. Viele von ihnen nahmen die Gelegenheit wahr, ihre inhaftierte Mutter oder Tochter mal außerhalb der regelmäßigen Besuchszeiten zu sehen, zu spüren.

Anstaltsleiterin Renate Gaddum freut sich, dass der Kunstkurs den Frauen ein Stück Normalität bietet, sinnvolle Freizeitbeschäftigung. Einen Ausflug in die Freiheit der Gedanken. Sich mit den Ergebnissen der Öffentlichkeit zu stellen, ist ein wichtiger Schritt für die Frauen, die - wie jeder Künstler - wahrgenommen werden möchten.

Die Kursleiterin Ursula Lemke hat als Oedter Bürgerin die Verbindung zur Sparkasse hergestelllt. Für sie als pensionierte Kunsterzieherin sei es beglückend, mit den Knast-Frauen zusammenzuarbeiten. "Die nehmen das viel besser an, als früher meine Schüler." "Wir kommen ja auch freiwillig", wirft eine von ihnen ein.

Lemke freut sich über die Symbole, die die Frauen gefunden haben. Die Vögel "Tiere der Freiheit", mit sehnsüchtigem Blick zum anderen Ufer. Dann einer tot, neben einem Autoreifen. "Das ist unsere Wehrlosigkeit." Die reine Quelle, die sich in Kaskaden durch einen blühenden und grünenden Urwald ergießt. Daneben ein roter Strom, der sich durch eine schwarze Wüstenlandschaft brennt.

Lemke ist weiter beglückt, von den Talenten, die die Frauen bei dem Kurs entdeckt haben. "So hat der Knast ja auch was Gutes", sagt sie fast trotzig. Und Karin, eine der Künstlerinnen, die zufällig in der ersten Reihe steht, lacht, applaudiert - und nur wer ganz genau hinsieht, entdeckt die Wasser hinter ihren Augen...

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