Sturmflut 1962: Kempener Berufsschüler halfen beim Wiederaufbau auf Wangerooge

Kempen. „Als ich die Bilder von dieser Katastrophe sah, kam mir gleich in den Sinn, dass wir da helfen müssen.“ Mit diesen Worten erinnert sich der Kempener Heinrich Riehl an die verheerende Sturmflut vor 50 Jahren an der Nordseeküste: Ganze Landstriche wurden in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 verwüstet — etwa 340 Menschen ließen in den Fluten ihr Leben.

Die meisten Todesopfer hatte die Hansestadt Hamburg zu beklagen.

Heinrich Riehl, damals Lehrer an der Kempener Berufsschule, überlegte gemeinsam mit dem früheren Direktor Fritz Hott, wie man vom Niederrhein aus den Menschen im hohen Norden helfen könne. „Es gab damals ohnehin an der Schule die Überlegung, eine Art Landschulheim in den Ferien zu organisieren“, erzählt Riehl. Dafür hatte man die Nordseeinsel Wangerooge ausgewählt — ebenfalls von der Jahrhundertflut betroffen. „Ich nahm also Kontakt zur Kurverwaltung von Wangerooge auf. Und unser Hilfsangebot wurde dankend angenommen“, erinnert sich der heute 90-Jährige.

Im Sommer 1962 wurden die Pläne von Riehl und Hott dann in die Tat umgesetzt: Zwischen Juni und September halfen mehr als 300 Berufsschüler beim Wiederaufbau auf der Insel. Verschiedenste Arbeiten wurden von den niederrheinischen Jugendlichen zwischen 14 und 20 Jahren übernommen: Elektriker-Lehrlingehalfen zum Beispiel bei der Reparatur von Stromleitungen. „Viele haben sich auch um den Wiederaufbau einer Gärtnerei gekümmert“, sagt Heinrich Riehl. Zu der Familie dieser Gärtnerei hat er bis heute Kontakt.

Die Hilfsbereitschaft der Schüler aus dem heutigen Kreis Viersen hat Riehl damals sehr beeindruckt: „Es war ja nicht nur die körperliche Arbeit. Die Schüler haben auch noch selbst 50 Mark für Busfahrt, Unterkunft und Verpflegung bezahlt.“ Die „Generation der Halbstarken“ habe unter Beweis gestellt, „dass sie richtig anpacken kann“.

Jede Gruppe von Schülern war für 14 Tage auf der Insel — danach ging es wieder nach Hause und die nächste Gruppe kam per Bus in den Norden. „Morgens wurde gearbeitet, am Nachmittag hatten die Jugendlichen frei“, berichtet Heinrich Riehl, dessen Frau ebenfalls beim Ferienlager in Turnhallen auf Wangerooge half.

„Bis heute ist das für die meisten Teilnehmer eine Erfahrung, die sie nie mehr vergessen werden“, ist sich der 90-Jährige sicher. Dies habe man vor allem in den vergangenen Monaten und Jahren gemerkt: Im Mai 2010 hatte Riehl in der WZ dazu aufgerufen, sich bei ihm zu melden. Gemeinsam mit seinen früheren Schülern wollte er ein Buch über die Hilfsaktion gestalten. Mit Erfolg: „Nach dem Artikel haben sich etwa 40 Leute bei mir gemeldet“, so Riehl. Sie steuerten Fotos und Anekdoten von damals bei. Ein Kern von sieben Ex-Schülern half Riehl dann beim Buch.

„Und das ist jetzt schon vergriffen“, sagt der Pensionär. Etwa 100 Exemplare seien an Teilnehmer von damals verschickt worden. Die Gruppe habe aber noch genügend Material für einen zweiten Band. „Daran arbeiten wir gerade, in ein paar Monaten gibt es Nachschub für alle Teilnehmer.“

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