Politisches Kabarett: Aus dem Sessel der Gewohnheit reißen

Thomas Freitag bot in der Werner-Jaeger-Halle „Nur das Beste“ und beeindruckte mit eigenwilliger Satire.

Lobberich. Der Knurrhahn hat wieder zugeschnappt: Er grummelte und brummelte, lästerte lustig und zischte zynisch, wie es seit 35 Jahren seine Art ist: Thomas Freitag, einer der letzten politischen Kabarettisten alter Schule, bot am Dienstagabend in der Werner-Jaeger-Halle „Nur das Beste“. Sein aktualisierter Rückblick auf 35 Jahre als Kabarettist war ebenso eindrucksvoll wie eigenwillig.

Das Beste von Thomas Freitag war das Aktuelle — was nicht unbedingt das Neueste sein muss. Seine alte böse Ballade „Struwwelpeter“ erwies sich heute als so treffend wie nie: Das sinnbildliche Spiel mit dem Feuer, der Kriegswahn. Er kann tödlich enden, eine Landmine zerfetzt die kleine Fatima.

So war er eben, so ist er noch, der Satiriker Freitag, der Betroffenheit auslöste sowie Lacher und Nachdenken gleichermaßen anregte. In Kellerkisten wühlend, weil Rentenunterlagen suchend, sinnierte er als Analytiker und brillierte er als Schauspieler.

„Man macht sich dick im Sessel der Gewohnheit“, klagte er und versuchte die Gäste wachzurütteln. Er warb als Europas Grenzschützer zynisch für den Schießbefehl gegen afrikanische Flüchtlinge — bitterböse. Beichtete als Beichtvater seinen Frust über den Zustand von Kirche und Gesellschaft — nicht neu, aber immer noch treffend.

Ließ noch einmal seine Parade-Nummer aufleben, begeisterte als Strauß, Wehner und Brandt im Altenheim — klassisch und nostalgisch für die, die noch die Politstrategen von damals kennen.

Zu singen versuchte er auch. Stellte sich vor, wie Familienministerin Schröder ihr Baby mit in den Bundestag bringt: Das Kind will Hein Blöd spielen — und meint Ronald Pofalla. Und vor zwei Zugaben nach freundlichem Applaus gab er seine Hoffnung preis: „Vielleicht nimmt Merkel eines Tages die Perücke ab und ist doch Günter Wallraff.“ jbh

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