Werner-Jaeger-Halle: Maler regt zum Nachdenken an

Dominique Horwitz und Benno Lehmann überzeugten in „Rot“. Das Zwei- Mann-Stück war aber keine leichte Kost.

Werner-Jaeger-Halle: Maler regt zum Nachdenken an
Foto: Kurt Lübke

Lobberich. Die Zuschauer in der Werner-Jaeger-Halle sahen am Samstagabend „Rot“: In dem Zwei-Personen-Stück von John Logan ging es um Besessenheit, Zweifel, Ängste, um einen Generationenkonflikt und einiges mehr. Es war keine leichte Kost, zu Lachen gab es kaum etwas.

Es gab aber genügend Gründe, dass die Besucher 90 Minuten lang durchhielten. Sie erlebten den genialen Dominique Horwitz in der Rolle des amerikanischen Malers Mark Rothko und den jungen Schauspieler Benno Lehmann als dessen Assistent — sie sollten sich fast nichts schenken, bis auf eine Erkenntnis ganz zum Schluss.

Mark Rothko (1903 bis 1970), der Sohn russisch-jüdischer Einwanderer, erinnerte an Klaus Kinski: Er war völlig abgedreht, rauchte, trank Whisky, Hemd und Hose waren voller Farbsprenkel, seine Stimmung schwankte ständig — ein eher unangenehmer Zeitgenosse.

Ken dagegen sah in seinem dunklen Anzug aus wie ein braver Konfirmand — und sollte dem großen Meister trotz vieler kleiner Demütigungen doch die Stirn bieten, ihn zum Nachdenken über sich selbst bringen. Aber bis dahin war es ein gut einstündiger Weg.

„Jeder Pinselstrich ist eine Tragödie“, gestand Rothko, auf den eine Reihe von Tragödien warteten, hatte er doch soeben seinen größten Auftrag an Land gezogen: ein Nobelrestaurant in New York mit Bildern auszustatten.

„Lassen Sie das Bild seine Arbeit tun, aber arbeiten Sie mit“, hatte er dem Kunststudenten zu verstehen gegeben. Und Rothko wirkte sehr aktuell mit seiner harschen Kritik an der Spaßgesellschaft, und das im Jahre 1958.

Dem Publikum wurde deutlich, wie sehr der Maler litt. Ein Besuch in dem Nobelrestaurant ließ ihn erahnen, dass niemand der Neureichen seine Bilder würde zu würdigen wissen. Er stand zugleich exemplarisch für einen Mann, der merkt, dass seine beste Zeit vorüber ist: Künstler, die nicht so tiefgründig dachten wie er, fingen an, die Galerien und die Herzen der Kunstsammler zu erobern.

Ken wuchs über sich hinaus, hielt seinem schwierigen, launenhaften Lehrmeister schonungslos den Spiegel vor. Rothko stornierte den Auftrag für das Restaurant und schmiss Ken raus. Nicht aus Undankbarkeit — er hatte erkannt, dass sein Atelier „zu einem Ort für verlorene, alte Männer“ geworden war.

Nach 90 Minuten war alles vorbei. Was blieb: Nachdenklichkeit. Nicht nur über die Kunst, auch über das Leben.

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