Boos-Stiels: Traditionskneipeschließt nach 140 Jahren

Die Suche nach einem Nachfolger war nicht erfolgreich. Möglicherweise wird das Haus jetzt umgebaut.

Lobberich. An der Theke herrscht Ratlosigkeit. „Wo sollen wir denn demnächst unser Bier trinken?“ fragen Gäste, die mal eben auf einen Feierabendtrunk in ihre Stammkneipe Boos-Stiels gekommen sind. „Die Auswahl ist nicht mehr groß“, zieht Karl-Heinz Haumer nachdenklich die Bilanz. Deshalb bedauern alle an der Theke, dass Werner und Margret Stiels „auch in der Verlängerung 2015“ keine Nachfolger gefunden haben und sich endgültig zurückziehen.

„Da geht auch ein Stück Klängerkultur verloren“, sinniert Wolfgang Koch, ehemaliger Karnevalsprinz. „Hier erfuhr man bisher immer die Neuigkeiten des Ortes und konnte die besten Geschäfte anbahnen“, verrät der Sparkassenmann mit hintergründigem Lächeln.

Seit dem 6. Dezember 1875 floss das Bier im Haus Breyeller Straße 31. Damals eröffnete Hermann Hillenbrands hier eine Gaststätte, die nach seinem Tode erst seine Frau und ab 1904 sein Sohn Johannes weiterführten. Er verkaufte sie 1922 an Heinrich Haus aus Kaldenkirchen. Der ging 1957 in den Ruhestand, als Josef und Cilly Boos in seiner Nachfolge die Wirtschaft übernahmen. Deren Tochter Margret und ihr Mann Werner Stiels übernahmen die Gaststätte 1978 und fungierten fortan als Wirte auf der „Heide“.

Mit „Heide“ wird in Lobberich die der Breyeller Straße mit Nebenstraßen bezeichnet. Hier entstanden die Karnevalsgesellschaften Heide-röslein (1928) und Fidele Heide (1936). Hier wurde gefeiert im Strandrestaurant Ludwigs am Nettebruch (längst abgebrochen), in der Königsburg (heute Möbel Busch), im „Tuddel“ (geschlossen), im Heidekrug (schon lange geschlossen), bei Trittermanns (Beerdigungsinstitut Helgers), bei Feikes (heute Wohnhaus) und bei Hillenbrands/Haus/Boos/Stiels. Nun fällt die „Heide“ trocken, wenn nicht ein Wunder geschieht und jemand das Anwesen für 199 000 Euro erwirbt.

Die Gaststätte war vor allem Vereinslokal der Bürgerschützen. Denn es gab neben dem Schankraum einen kleinen Saal (1906 gebaut und 1960 umgebaut). Er reichte samt dem Hofgelände aus für ein Schützenfest, das Josef Boos 1965 als ersten „Stadtkönig“ sah (1964 war Lobberich Stadt geworden). Heimisch fühlten sich im Haus Breyeller Straße 31 auch der Bienenzuchtverein, der Modellflugclub, der Kleingartenverein Marfeld, die Lebenshilfe, die Jagdgenossenschaft, die Landfrauen, die Arbeiterwohlfahrt, die Tolkemiter, die Kolpingsfamilie, die Behindertensportler, fast ein Dutzend Straßengemeinschaften, die Bruderschaft, der Turnverein und, und, und. . .

„Oben von der Niedieckstraße her“ kommt Heinz-Willi Schiffer auf die „Heide“, um noch „Kumpanei zu erleben“. Die nahe Geselligkeit zum Feierabend schätzte auch Klaus van Megen, der wenige Häuser weiter wohnt und nicht mehr so gut zu Fuß ist. Jahrzehnte hat er hier Billard gespielt — das ist nun vorbei.

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