Der Streit um den Zaun

Aus dem ehemaligen Depot im Brachter Wald ist ein Naturschutzgebiet geworden. Die Bauern befürchten Schäden, wenn es vollständig geöffnet wird.

Niederrhein. Der Zaun des Anstoßes ist 21 Kilometer lang. Er umschließt das rund 1200 Hektar große Gebiet des ehemaligen Munitionsdepots der britischen Streitkräfte im Brachter Wald unmittelbar an der niederländischen Grenze. Die Militärs sind längst abgezogen, aus dem Waffenlager ist ein Naturschutzgebiet geworden.

Doch der Zaun ist geblieben. Er ist NRW-Umwelt und -Landwirtschaftsminister Johannes Remmel ein Dorn im Auge. „Ein Zaun gehört nicht in die freie Natur“, sagt der Minister im Gespräch mit der WZ. Man wolle, dass bisher getrennte Landschaften und Schutzgebiete zusammenwachsen. Remmel: „Waldflächen müssen grundsätzlich frei betretbar sein.“

Deshalb will das Umweltministerium den Zaun abreißen. Ab 31. März 2013 soll das Gelände komplett frei zugänglich sein. Bislang ist es nur über sechs Eingänge zu betreten. Diese Haltung vertritt auch die NRW-Stiftung, der seit 1998 gut 70 Prozent der Flächen im ehemaligen Depot gehören.

Doch der Plan ist umstritten. Schuld daran ist vor allem der große Damwildbestand im Depot. Die Tiere halten den Bewuchs auf natürliche Art und Weise kurz. Aber was passiert mit ihnen, wenn der Zaun wegfällt?

Große Sorgen machen sich darum die Landwirte. Sie fürchten, dass sich das Wild über ihre Pflanzen hermachen wird. Nicht nur Feldgemüse, sondern auch Sonderkulturen wie Spargel, Salate oder Porree wären gefährdet, schreibt der Präsident des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes, Friedhelm Decker, an Minister Remmel. Diese Situation werde dazu führen, dass die Landwirte ihre Anbauflächen mit Zäunen schützen müssten. „Letzlich bedeutet das“, so Decker in seinem Schreiben, „dass statt der Einzäunung des Depots, die von der Bevölkerung nicht als störend empfunden wird, die angrenzende Feldlandschaft von zahlreichen und dazu noch höheren Einzäunungen durchzogen wird.“

Auch Naturschützer haben Zweifel an der Beseitigung des Zauns. So hat der Naturschutzbund erhebliche Bedenken geäußert; sollte eine effektive Beweidung nur mit dem vorhandenen Zaun möglich sein, sollte man sich im Sinne des Naturschutzes klar dazu bekennen.

In diese Richtung geht auch eine Empfehlung der Arbeitsgruppe „Wilddichte im Naturschutzgebiet Brachter Wald“. Der Arbeitskreis, dem Vertreter der Jagd, des Naturschutzes, des Ministeriums sowie der Wildforschungsstelle angehören, hat geraten, den Zaun zunächst bis zum Jahr 2015 stehen zu lassen und bis dahin weitere Erfahrungen über die Reduzierung des Damwildbestandes zu sammeln und erst dann eine Entscheidung zu treffen.

Einvernehmlich kam diese Empfehlung allerdings nicht zustande; die NRW-Stiftung stellte sich quer und lehnte den Kompromissvorschlag ab.

In Düsseldorf allerdings scheint die Empfehlung auf fruchtbaren Boden zu fallen. „Wir prüfen derzeit die Vorschläge der Arbeitsgruppe“ sagt Minister Remmel. Es sei möglich, ein Monitoring einzuführen, um weitere Informationen über das Gebiet zu erhalten und erst auf dieser Grundlage eine Entscheidung zu treffen. Remmel: „Unser Ziel ist es, eine Lösung zu finden, die dem Naturschutz Rechnung trägt, aber auch übermäßige Schäden für die Landwirtschaft und den Wald in der Region abwendet.“

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