Ein zweiter Frühling

Im Herbst blühen manche Pflanzen noch einmal auf. Das passt zum jetzt beginnenden „Goldenen Oktober“.

Niederrhein. Am Freitag kommt der „Goldene Oktober“, versprechen die Meteorologen. Bis zu 24 Grad soll es noch einmal warm werden. Da kann man sich noch einmal ins Straßencafé setzen oder den „Spätsommer“ Ende Oktober für einen Herbstspaziergang nutzen.

Denn in der Natur tut sich derzeit so einiges. Laub auf dem Boden, alles feucht, Modergeruch. Der Hauch des Vergänglichen weht vom Waldrand herüber. Streichelt die raschelnden braunen Blätter auf der Wiese, schiebt sie beiseite — und gibt den Blick frei auf ein kleines Wunder: Strahlend gelb blüht ein Löwenzahn. Hat den nächtlichen kalten Vorboten des Winters getrotzt. Schöpft Kraft aus den letzten wärmenden spätherbstlichen Sonnenstrahlen.

Wer einen Blick riskiert auf die Niederungen krautiger Vegetation und die Höhe strauchigen Wuchses, der entdeckt noch andere kleine Boten blühender Lebenskraft am Niederrhein.

Wie rund um den Königsbach in Nettetal. Weiß-rote Gänseblümchen hier, gelbes Franzosenkraut da. Buschröschen entfalten ihre Pracht in weißen Blütenblättern, wetteifern in den Sonnenstrahlen mit dem rötlichen Glanz der Hagebutten-Frucht. Noch immer schimmern Rosenblüten, als spotteten sie dem welkenden Wanken herbstlicher Abschiedswehmut. Spielen sie verrückt, die pflanzlichen Mitgeschöpfe, die wir doch eigentlich verkümmert wähnen, Opfer der jahreszeitlichen Wende, zum Absterben bestimmt?

Mitnichten. „Viele Pflanzen legen jetzt noch mal als Spätblüher nach, sie erleben so zu sagen ihren zweiten oder dritten Frühling“, erklärt Botaniker Norbert Neikes von der Biologischen Station Krickenbecker Seen. Vor allem nach der letzten Mahd schießen Wiesenpflanzen und so genannte Straßenbegleitpflanzen am Wegesrand wieder ins Kraut; manche Sträucher schmücken sich einmal noch mit Blütenpracht.

Meist aber ist diese letzte Blüherei vergebene Liebesmühe: „Die Samen haben ja nun in dieser Jahreszeit kaum eine Chance“, sagt Experte Neikes. Und doch erfüllen all die Spätblüher, auch in Gärten, noch einen besonderen Zweck: Sie locken letzte Insekten an. Und erfreuen jeden, der sie entdeckt, mit aufheiternden Farben. Sie lassen so im Herbst schon ahnen, was uns im nächsten Frühjahr blüht.

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