Gefährdete Kinder: Jugendamt prüft 108 Verdachtsfälle

Die Zahl hat sich im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2013 verdoppelt. Zwölfmal kamen Kinder in Obhut.

Nettetal. Diese Geschichte möchte man kaum glauben: In einer zugemüllten Wohnung voller Katzen lag mitten im Dreck ein kleines Kind, verwahrlost, vernachlässigt, hilflos. Der Fall ist einer von 108 Überprüfungen in Nettetal, die das Jugendamt nach Verdachtsmeldungen vornahm. „Im Vergleich zum Jahr 2013 hat sich die Zahl der Kindeswohlgefährdungsmeldungen verdoppelt“, berichtete Claudia Küppers vom Jugendamt dem Jugendhilfeausschuss. Der Anstieg der Meldungen in Nettetal liege „im Vergleich zum bundesweiten Durchschnitt erheblich höher“.

Kindeswohlgefährdung — der holprige Begriff besagt nichts anderes, als dass ein Kind Schaden nehmen könnte, seelisch oder körperlich, durch Vernachlässigung oder gar Gewalt. Besteht ein begründeter Verdacht, muss das Jugendamt aktiv werden. „Die Kollegen fahren etwa zweimal pro Woche wegen Verdachtsmeldungen zu Überprüfungen raus“, erklärt Küppers. Das sei schwierig für ihre Kollegen, „denn sie wissen nicht, was auf sie zukommt“.

Mitunter stießen Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) beim Jugendamt auf „drastische, schockierende Fälle“. „Aber das sind die Ausnahmen“, fügt Küppers hinzu. Nach dem Ampelsystem sind die „Leistungsbereiche“ eingestuft — Rot steht für „akute Kindeswohlgefährdung“, Gelb für Fälle, in denen „eine akute Gefährdung nicht ausgeschlossen werden“ kann, Grün für „keine akute Kindeswohlgefährdung“.

Von den 108 Meldungen wurden 67 „Grün“ bewertet, laut Küppers bestand allerdings häufig zumindest Beratungsbedarf. 29-mal hieß es Gelb, es waren „Anschlussmaßnahmen“ nötig, zum Beispiel Hilfen zur Erziehung. Rot bedeutete in zwölf Fällen „Inobhutnahme“ eines Kindes, also „vorläufige Schutzmaßnahme“ durch Unterbringung bei Verwandten oder in Pflegefamilien, in pädagogischer Ambulanz oder stationären Einrichtungen.

Die Statistik lässt vermuten, Nettetal sei ein besonders gefährliches Pflaster für Kinder. Doch für Küppers ist die gestiegene Zahl der Verdachtsmeldungen eher ein positives Signal: „Die Bevölkerung ist sensibler geworden fürs Kindeswohl.“ Bürger melden sich häufiger als früher im Jugendamt, etwa „wenn ein Kind in der Nachbarschaft die ganze Nacht schreit“. Ein Grund: „Die Bürger sehen offensichtlich das Jugendamt als Einrichtung mit Mitarbeitern, denen man vertrauen kann“, meint Küppers. Seit Nettetal sein eigenes Jugendamt habe, sei wohl die Akzeptanz spürbar gewachsen.

Zum guten Image des Jugendamtes trägt wohl auch Beate Kloß mit ihrem Babybesuchsdienst bei: „Ich besuche im Jahr über 300 Familien oder Mütter mit Neugeborenen“, berichtete sie im Ausschuss. Beratung und Hilfen würden gern angenommen. Selten nur entdecke sie verheimlichte Auffälligkeiten, denen sie nachgehen müsse. „Bei Bedarf wird der ASD aktiv zum Wohl des Kindes“, ergänzt Küppers.

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