Nettetaler Dochtfabrik: Der Docht ist die Seele der Kerze

In Nettetal werden jährlich hunderttausende Kilometer Dochte hergestellt. Die kerzenreiche Weihnachtszeit spielt da keine besondere Rolle.

Niederrhein. Alles nur Chemie und Physik: „Eine Kerze ist ein System“, stellt Michael Matthäi klar. Ohne Technik und Experimente könnte eine Kerze nicht „ästhetisch schön und rußfrei brennen“. In diesem System Kerze ist der Chemiker für den Docht zuständig. „So ein Docht ist ein komplexes Gebilde“, erklärt der Geschäftsführer der Westdeutschen Dochtfabrik in Nettetal, kurz Wedo genannt.

Die kerzenreiche Weihnachtszeit ist für ihn längst abgehakt, zumindest in Sachen Herstellung: „Wir produzieren saisonmäßig weit im Voraus.“ Jede Art von Kerze, ob riesige oder zierliche, weiße oder bunte, Duftkerzen oder Teelichte brauche eine bestimmte Art von Docht: „Von ihm hängt es mit ab, wie gut und wie lange die Kerze brennt“, sagt Matthäi.

Er gewährt einen Einblick ins Labor und in die Produktion. Abgebrannte Kerzen auf einer Platte, Messgeräte und Computer — Matthäi lächelt, das Labor ist sein Reich: „Im Test können wir hier wunderbar feststellen, wie gut ein Docht gelungen ist“, sagt er.

Mit entscheidend sei der Neigungswinkel: „Die Spitze des Dochtes muss genau an die heißeste Stelle der Flamme kommen, die bis 1300 Grad betragen kann.“ Zudem muss die Brenndauer errechnet stimmen: „Wenn etwa ein Teelichthersteller einen Docht bestellt, mit dem seine Teelichte genau vier Stunden lang brennen sollen, liefern wir ihm einen Docht, der keine Minute weniger oder mehr brennt“, sagt der Wedo-Geschäftsführer.

Der Docht selbst ist ein kompliziertes Geflecht aus mehreren Fäden, Baumwolle zumeist. Matthäi zeigt in einen Gang in der Fabrik, in dem hunderte Garnrollen laut rattern, darüber ein scheinbares Wirrwarr von Fäden: „Hier zum Beispiel werden dreimal zwölf Fäden von mehreren Spulen zusammengeflochten.“

Im Lager warten hunderte riesiger Rollen mit Dochten auf den Abtransport; jährlich werden hier mehrere hunderttausende Kilometer Dochte hergestellt. Matthäi: „Damit könnte man fünfzehnmal die Erde umwickeln.“

Bei aller Technik hat der Chemiker auch einen Sinn für das Schöne einer Kerze: „Wir haben abends zu Hause gern Kerzen, auch wenn ich zugeben muss, dass ich schon einen sehr speziellen Blick gerade für den Docht habe“, sagt Matthäi. Und fügt hinzu: „Für mich ist der Docht die Seele der Kerze.“

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