Sankt Martin wohnt am Veilchenweg

Klaus Pötzsch hält in Kaldenkirchen seit Jahrzehnten die Tradition lebendig.

Niederrhein. Martin hier, Martin da: Überall am Niederrhein schlüpfen in diesen Tagen bei Martins-Umzügen Reiter in die Rolle des heiligen Mannes, der seinen Umhang mit einem Bettler teilte.

Einer der Martins-Darsteller ist Klaus Pötzsch: Seit 1985 reitet er alljährlich durch den Nettetaler Stadtteil Kaldenkirchen. Und nimmt seine Rolle sehr ernst. „Das ist jedes Mal eine emotionale Angelegenheit, die Mantelteilung hat ja ihre besondere symbolische Bedeutung“, meint der 60-Jährige und spricht von „Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft“.

Vor 27 Jahren begann sein Karrieresprung, damals stieg er nach zehn Jahren Knappen-Dienst zum Offizier auf. Noch länger, nämlich seit 47 Jahren, pflegt und flickt Schneidermeister Karl Otten die Umhänge für den Kaldenkirchener St. Martin und seine Knappen: „Jedes Jahr bringe ich alles pünktlich zum Umzug“, erzählt der 86-Jährige.

Als Pötzsch fürs Foto den Schneider in seiner Wohnung besucht, schmunzelt Otten: „Das gab’s noch nie, dass Sankt Martin zu mir kommt!“

Beim Umzug gilt dann für den Martins-Darsteller: sich sicher auf dem Pferd halten. Kein Problem für Pötzsch als Mitglied und Trainer im Reiterverein Kaldenkirchen. Stellte der Verein früher traditionell auch das Ross, so werden heutzutage speziell geschulte „lammfromme Pferde“ geliehen. Die Folge: „Ich weiß gar nicht, wie mein Pferd dieses Jahr heißt.“

Pötzsch liebt die Martins-Tradition: „Ich kriege das oben auf dem Pferd mit, ich spüre das, wie die Kinder mich mit großen Augen anschauen und wie manche Ältere Tränen in den Augen haben, vielleicht auch wegen der Erinnerungen an früher.“

Bislang, erinnert sich der 60-Jährige, sei immer alles gut gelaufen. Einer seiner Vorgänger habe mal kurzfristig einem Knappen das Pferd übergeben, weil er „sich dringend in die Büsche schlagen musste.“ Bei ihm selbst rufe schon mal ein Kind: „Den Martin kenn’ ich, der wohnt am Veilchenweg!“

Anders als vielerorts gibt’s in Kaldenkirchen keinen Martinsverein, der den Umzug organisiert: „Das stellen die Bürger, Vereine, Kindergärten und Schulen miteinander auf die Beine.“ So schaffe, sagt Pötzsch, die Tradition Verbundenheit — und sei auf der Höhe der Zeit: „Das Holz fürs Martinsfeuer wird immer erst kurzfristig aufgestapelt, so können sich keine Tiere darin einnisten.“

Pötzsch bereitet sich stets gewissenhaft auf den Umzug vor, lässt sich zwei Wochen vorher einen Bart wachsen. Der Martin vom Veilchenweg lacht: „Aber das reicht kaum, da muss ich schwarz nachmalen.“

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