Gutachter im Fall Mirco nennt Olaf H. „sadistisch-pervers“

Die Ex-Frauen lobten den Angeklagten als fürsorglich und hilfsbereit. Doch Psychiater Martin Albrecht hält ihn für einen gefährlichen Perversen, der zudem voll schuldfähig ist.

Krefeld. Es waren Blicke in den Abgrund des Grauens. Doch die wahre Tiefe des Dunklen in der Seele von Olaf H. blieb auch Psychiater Dr. Martin Albrecht verborgen. Der renommierte forensische Gutachter beschäftigte sich am Freitag vor der Schwurgerichtskammer des Krefelder Landgerichts mehr als zwei Stunden lang mit dem Seelenleben des mutmaßlichen Mörders des kleinen Mirco. Ergebnis seines Gutachtens: Olaf H. ist voll schuldfähig und mit hoher Wahrscheinlichkeit „sadistisch-pervers“ — das wahre Motiv für die Tat bleibt aber ungeklärt.

Insgesamt fünf Mal hatte Albrecht den mutmaßlichen Mörder Olaf H. untersucht. Es sei keine leichte Arbeit gewesen, sagte der Psychiater am Freitag aus. Albrecht: „Es gab eine ganz erhebliche Abwehr gegen Aufklärungsbemühungen hinsichtlich des Tatbildes.“ Immer wieder habe es Olaf H. abgelehnt, an psycho-dia-gnostischen Tests teilzunehmen — mutmaßlich aus Angst, diese Tests könnten zu viel über sein Innerstes verraten.

Dennoch konnte Albrecht einige sichere Erkenntnisse gewinnen: Olaf H. ist mit einem Intelligenzquotienten von 138 überdurchschnittlich begabt. Er hat keinerlei Tendenzen zur Pädophilie, weder direkt noch als sogenannte „Nebenströmung“. Albrecht: „Bei Olaf H. gibt es keine sexuelle Affinität zu Kindern.“

Für sehr wahrscheinlich, wenn auch nicht beweisbar, hält der Gutachter jedoch die Möglichkeit, dass Mirco bei einem „sadistisch-perversen Exzess“ getötet wurde. Dafür spricht seiner Ansicht nach unter anderem, dass Olaf H. vor der Tat stundenlang herumfuhr, rund 200 Kilometer, bis er Mirco traf. Albrecht: „Das erinnert ohne Zweifel an einen Jäger, der seine Beute sucht.“ In der Psychiatrie gibt es für dieses Täterverhalten einen eigenen Begriff: „Cruising“ (engl.= herumfahren). Albrecht: „Während dieser Zeit schaukeln die Täter ihre Fantasie hoch, beschäftigen sich mit Allmachts-Vorstellungen.“

So vermutet Psychiater Albrecht, auch Olaf H. habe Allmachtsfantasien entwickelt und den Jungen demütigen, unterdrücken und missbrauchen wollen. Dass es laut den unterschiedlichen Geständnissen von Olaf H. zu dem sexuellen Missbrauch letztlich nicht gekommen ist, hält Gutachter Albrecht für glaubwürdig und wahrscheinlich: „Solchen Tätern geht es vor allem um das Auskosten ihrer Macht. Sexuelle Kontakte stehen nicht im Mittelpunkt.“ Es gehe vor allem um ein Sich-Bemächtigen, um ein Ausnutzen von Wehrlosigkeit, das sich dann vermutlich bis zur Tötung des Kindes entladen habe.

Albrecht ist davon überzeugt, dass beruflicher Stress von Olaf H. keine Ursache für die Tat war: „Was da vorliegen muss, ist die Neigung, unter Stress Fantasien zu entwickeln, die ein Abreagieren an einem Kind beinhalten.“ Beruflicher Stress könne dazu allenfalls Auslöser sein.

Albrecht erklärte allerdings, dass H., der während des gesamten Prozesses geschwiegen hatte, möglicherweise das Motiv für seine Tat verdrängt hat: „Es kann sein, dass er mit Überzeugung vortragen kann: Ich weiß nicht, warum ich es getan habe.“ Ob von Olaf H. eine Wiederholungsgefahr ausgehen könnte, darauf wollte sich Gutachter Albrecht nicht festlegen: „Ich kann nur sagen, wenn er ein sadistischer Täter wäre, wäre er sehr gefährlich.“

Am kommenden Montag werden Anklage und Verteidigung ihre Plädoyers halten. Das Urteil wird dann am Donnerstag erwartet.

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