Bahnhof Wilhelmplatz: Beschwerliches Reisen in der Holzklasse

Vom St. Töniser Bahnhof aus fuhren Züge in alle Richtungen. Heute steht dort ein griechisches Restaurant.

St. Tönis. Kaum noch jemand weiß, dass am heutigen Platz des griechischen Restaurants „Akropolis“ am Wilhelmplatz 13 einmal der St. Töniser Bahnhof gestanden hat. Teile davon sind noch zu erahnen. Nicht nur für die Handweber, Händler und Arbeiter in den nahe gelegenen Textilfabriken war der Haltepunkt von großer Bedeutung. Auch zahlreiche Güter und Werkstoffe, Kohle, Getreide und Zuckerrüben wurden auf den Gleisen hin und her transportiert.

Die Anfänge des Personen- und Güterverkehrs durch St. Tönis werden in den Archiven, in einigen Heimatbriefen des St. Töniser Heimatbundes und in Überlieferungen, wie vom damaligen Bahnhofsvorsteher Hans Hinskes oder von Bahnmeister Wilhelm Eberlein, erwähnt.

Man schrieb das Jahr 1870, als St. Tönis mit seinen annähernd 7000 Einwohnern durch seine Weber, Bierbrauereien oder Ölmühlen schon ziemlich bekannt war. Die „Crefeld-Kreis-Kempener Industrie-Eisenbahngesellschaft“ begann mit der verkehrlichen Erschließung der ländlichen Region, baute auch die Gleisverbindung Süchteln-Vorst-St. Tönis-Krefeld-Hüls. Betriebseröffnung dieser Strecke war der 1. November 1870.

Parallel dazu wurde wahrscheinlich auch mit dem Bau des Bahnhofes begonnen. Auch wenn die Eisenbahngesellschaft nicht lange bestand, in Konkurs ging und 1880 von der „Crefelder Eisenbahngesellschaft“ abgelöst wurde, konnte man sich über fehlenden Betrieb nicht beklagen. Dies machen Zahlen aus dem Jahr 1879 deutlich: Insgesamt fuhren 64 349 Personen vom St. Töniser Bahnhof ab, pro Tag immerhin 176 Personen. Von den 64 349 Fahrgästen saßen 170 in der ersten, 8595 in der zweiten und 55 309 in der dritten Klasse.

Immerhin saß man beim Billett erster Klasse gut gepolstert auf Plüsch. Dann kamen die Holzklassen dran. Es gab sogar eine vierte Wagenklasse. „Nur für Reisende mit Traglasten“ stand daran. Darin fuhr aber zumindest in dem Jahr kein St. Töniser.

Auch die Güter und Tiere wurden gezählt, es waren unter anderem 346 Kühe und 89 Hunde. Mickrig hingegen das monatliche Einkommen von Bahnmeister Wilhelm Eberlein: Es betrug im Jahr 1881 „satte“ 95 Mark. Der Volksmund nannte die Bimmelbahn ob ihrer alles andere als rasanten Geschwindigkeit nur den Schluff. Und dieser Begriff sollte über Jahrzehnte hinweg seine Bedeutung nicht verlieren. Die Schlufftrasse wurde zum Synonym für Langsam- und Beschaulichkeit. Daran erinnerte auch die Gaststätte „Zum Schluff“, die später im Bahnhofsgebäude entstand.

Soweit war es aber noch nicht. Bis zum Jahr 1904, als die elektrische Straßenbahn zum ersten Mal nach St.Tönis fuhr, mochten die Einheimischen nicht auf die Bahn verzichten.

Kein Bahnhof, aber ein Haltepunkt war St. Tönis-West, in der Nähe der Alten Weberei. Dort stiegen auch in den 20er und 30er Jahren viele Kurzausflügler aus, die die Tennisplätze oder das Freibad am Tacksee besuchen wollten. Auch wenn der Personenverkehr immer mehr zurückging, fuhren bis 1936 und von 1939 bis 1951 planmäßig Personenzüge auf diesem Streckennetz der Krefelder Eisenbahngesellschaft.

Ab 1951 wurde dann nach und nach der größte Teil des Schienennetzes auch für den Güterverkehr stillgelegt. Bis man sich entschloss, auf einem Teil der noch verbliebenen Strecke einen Museumsbetrieb einzurichten.

1980 fuhr der erste Museumszug von Krefeld-Nord zum Hülser Berg. Die Resonanz war so groß, dass dieser 1981 schließlich bis nach St. Tönis ausgeweitet wurde.

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