Bürger fühlen sich schlecht geschützt

Die Zahl der Straftaten in Tönisvorst liegt unter dem Durchschnitt. Bei der Polizei wachsen die Personalsorgen.

Bürger fühlen sich schlecht geschützt
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Tönisvorst. Alle Jahre wieder berichtet die Kreispolizei in Tönisvorst über die Entwicklung der Straftaten und über die Sicherheitslage. Und alle Jahre wieder, so war es auch zuletzt, bringen Verantwortliche der Kreispolizeibehörde Statistiken mit, wonach kreisweit Tönisvorst bei den Einbrüchen, Diebstählen oder Gewalttaten im unteren Bereich läge. So auch jetzt wieder, als darüber der 1. Kriminal-Hauptkommissar, Bernd Wegener, im Hauptausschuss sprach. Das Empfinden vieler Tönisvorster ist aber — vor allem nach dem Raubmord an einem Rentner — ein ganz anderes. Sie haben Angst, fühlen sich unzureichend beschützt und denken sogar über einen privaten Überwachungsdienst nach.

Bernd Wegener (60) ist seit 42 Jahren Polizeibeamter und für die Themen Verkehr, Sicherheit und Kriminalität für die rund 80 000 Bürger in Tönisvorst, Kempen und Grefrath der Hauptverantwortliche. Der Kommissar nannte erst einmal die Zahlen aus dem Jahr 2013: Danach liege die Kriminalitätsrate kreisweit 34 Prozent unter dem Landesdurchschnitt, in Tönisvorst sogar um 53 Prozent darunter. Bei der Gewaltkriminalität — also Nötigung, Körperverletzung, Tötung oder Mord — liege Tönisvorst ebenso deutlich unter dem Kreis-Durchschnitt wie bei der Straßenkriminalität.

Obwohl Wegener von derzeit rückläufigen Einbrüchen im Kreis sprach, macht ihm doch die Zunahme von organisierten Gruppen aus den Osten Europas Sorgen. „Ordentliche deutsche Einbrecher finden Sie kaum noch“, sagte er schmunzelnd. In Tönisvorst hatte es 2013 insgesamt 81 Einbrüche gegeben. Wegener: „Dies ist in etwa der Durchschnitt im Kreisgebiet.“ Auch bei den Unfällen gebe es in Tönisvorst keine Brennpunkte.

Der Polizeibeamte kam auch auf den weiter schrumpfenden Personalbestand zu sprechen. So sei bei der Kreispolizeibehörde bereits in den vergangenen Jahren die Zahl der Polizisten von 520 auf 480 zurückgegangen. Und es werde noch viel schlimmer, da in den nächsten zehn Jahren etwa 170 der verbleibenden 480 Kräfte in den Ruhestand gingen. Wegener: „Spätestens ab 2019 haben wir keine Ressourcen mehr, um das Problem selbst in den Griff zu bekommen.“ Weitere Konzentrationen oder die Bildung größerer Bezirke seien unausweichlich. So müssten unter anderem bei der Kriminalitäts-Bekämpfung Kommissariate zusammengelegt werden, so Willich/Kempen (mit Tönisvorst) und Nettetal/Viersen. Nach zusätzlichen Einsatzwagen zu rufen, sei nicht die Lösung: „Was nützt das, wenn wir keine Leute haben, die die Wagen fahren.“

„Erschreckend“ nannte Helmut Drüggen (CDU) den personellen Ausblick. Er wollte wissen, ob es ein Zeitlimit gebe, bis wann die Polizei nach der ersten Meldung am „Tatort“ sein müsse. „So etwas gibt es nicht“, antwortete Wegener. Drüggen wie auch Michael Horst (SPD) sprachen davon, dass das persönliche Sicherheitsgefühl bei vielen St. Töniser Bürgern nicht mehr vorhanden sei.

Wegener sprach noch von einer großen Betroffenheit und Emotion, wenn Gewaltverbrechen in der unmittelbaren Nachbarschaft geschehen. Er wünschte sich, dass die Nachbarn auch dann reagieren, wenn sie in ihrer Nähe Gewaltausbrüche befürchten oder mitbekommen. Der Kommissar dazu: „In nahezu jeder Nacht kommt es in den Familien zur Gewalt, das interessiert aber offenbar keinen.“

Wie er denn über einen privaten Überwachungsdienst denke, wurde Bernd Wegener von Andreas Hamacher (CDU) gefragt. „Generell ist nichts dagegen zu sagen. Aber ob das klug ist, wenn man zum Beispiel einen Einbrecher auf frischer Tat ertappt und dann nicht weiß, wie man ihm begegnet?“, fragte der Hauptkommissar dazu.

Für Hamacher sind derartige private Überwacher keine Lösung. Er sagte weiter: „Das muss die Sache der Polizei bleiben, sonst bewegen wir uns in einer Zwei-Klassen-Sicherheitsgesellschaft. Die einen können sich einen Sicherheitsdienst leisten, die anderen nicht.“

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