Experiment zur Alterung: "Bewegen ist schwer"

Unsere Praktikantin altert plötzlich um 70 Jahre. Wie sich das anfühlt, beschreibt sie hier.

Experiment zur Alterung: "Bewegen ist schwer"
Foto: Kurt Lübke

St. Tönis. Auf einen Schlag 70 Jahre älter: Mein ganzer Körper ist schwer, meine Arme und meine Beine. Ich halte mich unsicher am Geländer der Treppe fest und hoffe, dass ich keine Stufe übersehe. Meine Füße fühlen sich so unbeweglich an, jetzt bloß nicht stolpern. Ich bin froh, als ich unten angekommen bin.

Denn so fühle ich mich nicht immer: Ich bin 15 Jahre alt, eigentlich bewege ich mich schneller. Der Grund für das Gefühl des Älter-seins: Ich trage einen Demografieanzug. Anlass ist ein Gesundheitstag der Tönisvorster Stadtverwaltung.

Der Anzug besteht aus vielen Teilen, die unterschiedliche Probleme des Alters zeigen sollen, wie etwa steife Gelenke. Um diese zu simulieren, wickelt Achim Deiwick, Regionaldirektor der Unfallkasse, mir Bandagen um Knie und Ellbogen. Da viele ältere Menschen ihre Hände nicht mehr gut bewegen können, werden mir auch Handschuhe angelegt, die eigentlich zum Gewichtheben genutzt werden und die Beweglichkeit der Hand daher stark einschränken.

15 Kilo zu nehme ich mit einer Bleiweste, Bleigewichte werden auch an meinen Armen und Beinen befestigt, um das Schwinden der Muskulatur zu verdeutlichen. Außerdem wird mir eine Art Halskrause umgelegt, die demonstriert, wie der Hals mit zunehmendem Alter steifer wird. Zum Schluss setzt mir Deiwick noch eine Brille auf, die die Auswirkung von grauem Star zeigt.

Nachdem ich vollständig eingekleidet bin, versuche ich, einen Apfel festzuhalten. Die Handschuhe machen das viel schwieriger als normalerweise. Ich kann die Hand nicht mehr richtig schließen — der Apfel fällt herunter. „Aus diesem Grund ist auch essen schwierig, viele Ältere können die Gabel nicht richtig festhalten“, sagt Deiwick.

Durch die Bandagen und Gewichte wird es immer schwerer, meine Arme oben zu halten. Nach einiger Zeit lasse ich sie einfach hängen. Im Alter sei es jedoch genau das, was den Muskelschwund noch verschlimmere, erklärt Deiwick.

Auch Laufen und Treppensteigen ist schwierig, ich schlurfe durch die Gänge. Durch die Halskrause kann ich nachvollziehen, wie unbeweglich der Hals wird. Autofahren stelle ich mir damit sehr schwierig vor — und auch gefährlich.

Am schlimmsten finde ich die Brille. Sie ist grau getönt, und so kann ich nur noch Umrisse erkennen. Beim Laufen muss ich gestützt werden, ich sehe einfach nicht mehr, wo ich meine Füße aufsetzen kann. „Viele ältere Menschen nutzen deswegen Rollatoren“, sagt Deiwick.

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