St. Tönis Firmengründung in der Garage

Adrian Geiger und Jörg Wingert aus St. Tönis sind Chefs im eigenen Unternehmen. Sie wollen den perfekten Schreibtisch bauen.

St. Tönis: Firmengründung in der Garage
Foto: Friedhelm Reimann

St. Tönis. Sie lesen jetzt eine Geschichte, ein Drehbuch von der Ansage „vom Tellerwäscher zum Millionär“. Halt! Das war vorschnell. Also einmal zurückgespult. Erzählt wird jetzt der Anfang einer sich möglicherweise entwickelnden Erfolgsstory, die in 30 Jahren wahrheitsgemäß so in der Firmenchronik von Multiholz einfließen könnte: „Im Jahr 2015 unterhielten sich die Studenten Adrian Geiger und Jörg Wingert aus St. Tönis über ihre Schreibtische. Sie waren unzufrieden mit den Möbeln, wollten einem eigenen Modell Design und höchste Funktionalität verleihen. Sie tüftelten an Ideen, verwarfen einige, perfektionieren andere und bauten schließlich ein halbes Jahr später den Prototypen von „Alpha“ in der Garage von Adrian Geigers Eltern.“

In dieser 24 Quadratmeter großen Garage stehen wir nun. Vier Sommerreifen und eine Transportbox hängen an der Decke, ein einzelner Fahrradreifen an der Wand. In einer Ecke ein Regal, ein Waschbecken, auf einem Tisch etwas Werkzeug. Wenn das Garagentor geöffnet ist, schaut man über den Biwak und Tönisvorster Felder.

Ein Auto hat dort keinen Platz mehr. Adrian Geiger, der Kommunikation und Design an der Hochschule Niederrhein studiert hat, und sein Freund Jörg Wingert, Absolvent Maschinenbau, brauchen Platz für ihre Vision, die sie gerade in Prototypenreife zusammengebaut haben.

Alpha, ihr Schreibtisch, steht an der Wand. Ein Modell aus Stahl und Eiche-Massiv, ein schlichtes, edles Design, das auf den ersten Blick seine Funktionsfülle geschickt verbirgt. Ein Dreivierteljahr haben sich die kreativen Kumpels fast täglich gesehen und gesprochen. Nun ist ihnen im Neonlicht der Garage die Zufriedenheit in ihren Gesichtern abzulesen.

„Die Kombination Funktionalität und Massivholz ist selten zu finden“, sagt Geiger. Mit Freund Jörg ist er durch Möbelgeschäfte gelaufen, hat sich durchs Internet geklickt, auf der Suche nach der perfekten Kombination. „Ein Professor hatte uns geraten, die Idee erst einmal lange im Kopf zu halten.“ Beide gingen Schritt für Schritt vor, von der ersten Entwurfsskizze zur 3D—Zeichnung, suchten Zulieferer und Partner.

Was kann er denn, dieser Alpha? Adrian Geiger steckt sein Smartphone in eine von zwei gefräste Leisten in der Tischplatte. „Hier lasse ich es auch gleich aufladen.“ Weiter oben, in einer Ecke, sind zwei separate USB-Abschlüsse eingelassen. Jörg Wingert verstellt die Höhe der Tischplatte. Sie fährt geräuschlos hoch. Jetzt kann der 1,90-Meter-Mann im Stehen arbeiten. Vier Stellhöhen für verschiedene Nutzer kann sich der Tisch merken. Die Memoryfunktion macht’s möglich.

„Nur ein Kabel führt noch zum Tisch“, sagt Wingert. Die magnetische Steckerleiste ist unter der Platte angebracht. Alle Kabel und Netzteile werden in einem abnehmbaren, magnetischen Kanal verstaut. Geiger arbeitet immer wieder an dem neuen Schreibtisch: „Ich teste den Workflow“. Bisher haben die beiden Möbelbauer noch keinen Nachteil ausgemacht.

Die beiden haben sich Partner gesucht: Der Kempener Schreiber Michael Gisbertz hat die CNC-Fräse, die für die Millimetergenaue Lochungen und Einfräsungen notwendig ist. Metallbau Hennig aus Kempen liefert die Stahlteile. Zusammenbau und Einbau der Elektronik erledigen die Erfinder in der Garage.

Regelmäßig sitzen sie am Gründerstammtisch der Hochschule Niederrhein und tauschen sich mit anderen Durchstartern aus. Apropos Start: Die beiden Tönisvorster benötigt noch eine Anschubfinanzierung. „Über die Internetseite www.kickstarter.com kann man unser Vorhaben direkt unterstützen“, sagt Geiger. Über diese Crowdfunding-Seite wollen sie 85 000 Euro zusammenbekommen, bevor sie in die Produktionsphase gehen. Bisher haben sie 19 Unterstützer und 12 000 Euro zusammen. Bis zum 20. Dezember kann man noch spenden oder bestellen.

Über kurz oder lang wollen und müssen sich die Multiholz-Unternehmensgründer vergrößern und in eine andere, geräumiger Halle umziehen, um ihre Möbel zu produzieren und zu präsentieren. Denn beim Bau von Schreibtischen soll’s nicht bleiben. Geiger: „Wir haben noch viele Ideen.“ Sozusagen auf dem Weg vom ersten Schreibtisch zum Multiholz-Unternehmen. . . Aber diese Geschichte schreibt die Zukunft zu Ende.

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