Am Pastorswall Kirmes und Gartentage: Diese Kombination ist ein Glückslos

Am Pastorswall in St. Tönis drehen sich die Karussells — der Freitag war gut besucht. Das Geschäft wird aber schwieriger.

St. Tönis. Glückstag für Carl und Jonas. Weil ihre Tagesmutter an diesem Freitag ein Hygiene-Seminar besucht, mussten die Väter der beiden zweieinhalbjährigen Kumpel für Freitag Urlaub einreichen. Und weil der Urlaubstag genau auf den Start der Frühjahrskirmes am Pastorswall in St. Tönis fällt, stehen die Väter und die Söhne nun vor dem Kinderkarussell in Höhe Bäckerei Steeg in der Sonne.

Es dauert nicht lange, da stehen nur noch Stefan Schrade und Florian Hötger und schauen dem Nachwuchs beim Vorbeifahren zu. Schrade grinst: „Ich habe eben die Frage gestellt: Spielplatz oder Karussell?“ Die Antwort kam schneller als das Karussellpony jetzt kreist. Insgesamt kommen die Jungs auf fünf Fahrten. „Nun ist aber Schluss“, sagen die Männer schließlich, nicht ohne Mühe, die Söhne davon auch zu überzeugen.

Das sind Kunden ganz nach Paul Müllers Geschmack. Der Schausteller aus Meerbusch ist mit drei Fahrgeschäften in St. Tönis vertreten: Das Kinderkarussell an der Hoch-/Ecke Krefelder Straße besteigen die Jüngsten, etwas ältere Kinder das Karussell mit den fliegenden Jets. Während Müller bei den Fahrgeschäften nach dem Rechten schaut, steht seine Frau hinter dem Schießstand.

„Der Standort für die Kirmes ist optimal“, sagt Müller. Er weiß, wovon er redet. Seit 1971, seit 43 Jahres ist er als Schausteller selbstständig, wie seine Großeltern zuvor. „Meine Eltern sind nicht gereist“. Er kennt jede Kirmes am Niederrhein. Natürlich ist er auch in Düsseldorf, Krefeld und Haan vertreten. „Ich bin ein Kirchturm-Reisender“, lacht Müller und erklärt, was er damit meint: „Ich möchte abends nach Hause.“

Andere Kollegen, weiß er, müssten zuweilen viel weiter, um Geld zu verdienen. Die Krefelder Raupe stehe auch auf dem Oktoberfest in München. „So weit, das hätte es früher nicht gegeben.“ Die Geschäfte werden schwieriger. Vor 20 Jahren habe der Wandel eingesetzt, sagt Müller. Die Jugend habe eben andere Interessen. Handys, Tablets. „Früher gab es Kirmesgeld, kam die Verwandtschaft zu Kaffee und Kuchen, wenn die Kirmes in der Stadt war. Das gibt’s heute nicht mehr.“ Automaten- und Geschicklichkeitsspiele hätten an Reiz eingebüßt. „Essen und Trinken“ funktioniere immer.

Stimmt auch in St. Tönis. Die Biergartenbänke in der Sonne, in unmittelbarer Nähe zu Crêpes, Backfisch und Pommes sind um 15.30 Uhr allesamt besetzt. Überhaupt ist viel los am Pastorswall, auf dem kein Auto parkt — außer den Selbstfahrer-Modellen, die jetzt Top Car heißen. Hier ist es wie früher: Flirten und fahren ohne Führerschein geht im Teenagerzeitalter von heute auch mit Handy am Steuer. Die Kassiererin vom „Kesseltanz“ nebenan heizt den Jugendlichen ein, die sich drehen und beinahe wenden lassen. Als Schluss ist, stürmen vier Mädchen auf eine Freundin zu: „Das war der Hammer!“

Das Wetter ist prächtig, der Besuch schon sehr ordentlich. Paul Müller und Andrea Hofmann vom Glaslabyrinth hoffen wie ihre zehn Schausteller-Kollegen weiter auf gnädiges Wetter. Die Kombination mit den St. Töniser Gartentagen ist für sie ein Segen: „Nur so geht es noch“, sagt Müller und meint damit die Verbindung zwischen Einzelhandel, Werbering und Kirmes. Um in seiner Sprache zu bleiben — ein Glückslos.

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