Praxiseröffnung: Behandlung mit Kopftuch

Ayse Sari ist Muslimin. Das zeigt sie auch in ihrem Job als Zahnärztin.

Praxiseröffnung: Behandlung mit Kopftuch
Foto: Kurt Lübke

Tönisvorst. Meist ärgert man sich als Journalist, wenn man mit einer Idee losgeschickt wird und es diese dann gar nicht gibt. Wenn die Geschichte einfach keine ist. Manchmal ist die Idee jedoch von Anfang an so fragwürdig, dass man sich freut, wenn sie sich beim Gespräch dann in Luft auflöst.

Ayse Sari hat gerade eine Zahnarztpraxis in Tönisvorst eröffnet. Die 31-Jährige ist Muslimin und trägt daher ein Kopftuch — auch während der Arbeit. Ob sie deswegen schon einmal angegangen oder diskriminiert wurde? „Ist dieses Interview nicht schon diskriminierend?“, fragt sie. „Wenn die Patienten zu mir in die Praxis kommen, dann, weil sie meine Kompetenz schätzen. Das Kopftuch ist ihnen da doch egal.“

Der Vater von Ayse Sari kam 1969 als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland. 1974 kam seine Familie nach. Sari ist in Krefeld geboren und wuchs zweisprachig auf. „Türkisch wurde zu Hause gesprochen, Deutsch dann in der Schule.“ Geholfen hat ihr in der Grundschule besonders eine Lehrerin. „Sie hat mich an die Hand genommen und mit mir in der Pause Deutsch geübt.“ Nach ihrem Abitur studierte Sari fünfeinhalb Jahre lang in Marburg. „In Hessen ist die Ausländerquote geringer als hier“, sagt sie. „Da habe ich mich mit Kopftuch in erster Zeit sehr beobachtet gefühlt.“ Hier am Niederrhein sei die Bevölkerung jedoch so multikulturell, da werde ihr Kopftuch gar nicht bemerkt.

„Es ist ein Teil von mir. Ich muss das Tuch im Beruf nicht ablegen. Wenn ich dem Patient helfen kann, dann sieht er das Tuch gar nicht mehr.“ Die junge Frau lacht viel, sie sitzt im noch nicht ganz eingerichteten Wartezimmer und schwärmt von ihren Mitarbeitern und von Deutschland. Vor der Eröffnung ihrer eigenen Praxis im Februar hat Sari dreieinhalb Jahre in Grefrath mit vier anderen Ärzten zusammen gearbeitet.

Nur einmal habe sich eine Patientin geweigert, von ihr behandelt zu werden, weil sie das Kopftuch störte. Selbst mitbekommen hat Sari das nicht, ihre Kollegen erzählten es ihr später. „Die haben dann zu der Frau gesagt: ,Wenn Sie nur zehn Sekunden mit Frau Sari gesprochen hätten, dann hätten sie keinen Unterschied zu ihren Kollegen mehr bemerkt.’“ Die Patientin wurde fortan nicht mehr in der Praxis behandelt.

Sari sagt, sie denke auf Deutsch, träume aber auf Türkisch. „Am einfachsten ist es mit Freunden zu sprechen, die beide Sprachen beherrschen.“ Die meisten Patienten, die zu ihr kommen, sprechen Deutsch. Sari behandelt jedoch auch auf Türkisch. Für die Sprechstundenhilfen übersetzt sie dann. Doch die verstehen einiges auch so, viele Vokabeln klingen ähnlich. „Und überhaupt, wenn ich jemanden verstehen will, dann klappt das auch. Einer meiner Patienten spricht nur Polnisch. Ich merke jedoch, wenn er zufrieden ist.“

Probleme wegen ihrer Religion habe Sari noch nie gehabt. „Ich habe einen großen Bekanntenkreis. Dort tragen alle Frauen ihr Kopftuch freiwillig, auch wenn in den Medien gern behauptet wird, dass wir dazu gezwungen würden“, sagt die Ärztin.

Sari versucht, die Leute so zu akzeptieren, wie sie sind. „Ich nehme mein Gegenüber wahr, wie es ist und erst, wenn der Charakter nicht passt, sollte man getrennte Wege gehen.“ Dieses Anliegen ist Sari so wichtig, dass sie sich bei der Union der türkischen Vereine in Krefeld im Integrationsausschuss engagiert.

Die Lehrerin, die ihr damals in der Schule geholfen hat, will bald als Patientin in ihre Praxis kommen. Eine Karte mit Glückwünschen zur Praxiseröffnung hat sie schon geschickt.

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