Sieben neue Stolpersteine

Der Künstler Gunter Demnig hat Messingblöcke mit Namen von jüdischen Bürgern aus St. Tönis verlegt.

St. Tönis. Es spricht für Stil und Würde der Gedenkstunde, dass keinem der Umstehenden einfällt, auch nur ein einziges Mal Beifall zu klatschen. Nicht für die einfühlsamen Klarinetten-Melodien, gespielt von Jürgen Löscher, nicht für die eindringlichen Wortbeiträge, Gedanken und Gebete zum Gedenken an ermordete Juden aus St. Tönis. Jeder verharrt still mit den Gedankenanstößen.

Passanten bleiben stehen, hören hin und halten spontan inne. Das alltägliche Treiben eines Montagmorgens in der St. Töniser Fußgängerzone wird kurzerhand angehalten.

Als Walter Schöler für den Vorstand der Allgemeinen Wohnungsgenossenschaft Tönisvorst vor den beiden Häusern Hochstraße 65 und 67 die Erinnerung an die dort bis vor 70 Jahren wohnenden Menschen wachruft, hat Gunter Demnig seine Arbeit schon geleistet. Weiße, verwischte Betonschlieren auf dem Fußgängerzonen-Pflaster vor den beiden Eingangstüren sind Spuren seiner Arbeit. Der Künstler aus Köln hat rote Betonsteine durch sieben Stolpersteine im Pflaster ersetzt, hat Michael Kaufmann, einem ehemaligen Metzger, seiner Frau Henriette, geb. Fischbein, und Nichte Selma — mit Namen im eigenen Messing-Block verewigt — wieder ein Da-Sein vor den Denkmal-Häusern gegeben.

„Routine“, sagt Demnig, habe er nur im Verlegen der Steine. Die Schicksale der Menschen, Reaktionen ihrer Familien berührten ihn weiterhin. „Jeder Stein ist Handarbeit.“ Ein Angehöriger habe einmal gesagt: „Das sind keine Grabsteine, sondern Schlusssteine.“ Demnig: „Ich bringe die Namen dorthin zurück, wo das Grauen begann.“

Nur wenige Meter weiter erinnern vier Stolpersteine an den ehemaligen Viehhändler Siegmund Falk, seine Frau Henriette, geborene Gans, und die Söhne Erich und Max Falk. Die Eltern überlebten die Deportation, die Söhne starben im KZ Buchenwald.

Heute besitzt die AWG die Falk-Häuser, wie alteingesessene St. Töniser sagen. Walter Schöler nennt ausdrücklich alle 25 Namen der jüdischen Mitbürger, die an dieser Stelle vor 70 Jahren lebten. Über die sieben stellvertretenen Steine sollen nun „Menschen mit den Augen stolpern“.

Davon, über die Steine „gedanklich zu stolpern“, von „Anhalts- und Anhaltepunkten für den Geschichtsunterricht“ sprechen Isabel Steinke und Raphaela Weinhold, Schülerinnen des Michael-Ende-Gymnasiums. Sie vertreten die junge Generation, die eine Patenschaft für das Nicht-Vergessen übernimmt.

Für dieses „bemerkenswerte Verantwortungsbewusstsein“ werden sie von Vize-Bürgermeisterin Christiane Tille-Gander gelobt, die die Hilfe der Stadt für weitere Aktionen zusagt.

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