St. Tönis: Textilien sind immer noch top

Wie werden alte Fabriken genutzt? Diese Frage führt die WZ am Samstag zu Kress in St. Tönis.

St. Tönis. Das ist ein richtiges Stück Industriegeschichte: Kress. Das Gelände der früheren Textilfabrik zwischen Maysweg und Mühlenstraße war der Ort, an dem tausende St. Töniser in Lohn und Brot standen. Zu Hochzeiten waren fast 500 Menschen hier beschäftigt. Vorbei, passé, nach der dritten Insolvenz gab’s keine Zukunft mehr. Das Gelände drohte zur Riesenbrache zu werden. Was dann doch nicht geschah, es regte sich schon schnell neues Leben in den alten Hallen.

Der Reihe nach: Die Wurzeln von Kress sind uralt, das Unternehmen wurde schon 1874 von Eberhard Friedrich Kress gegründet. 1926 erfolgte der Umzug nach St.Tönis, wo die Firma sowohl Weltwirtschaftskrise als auch den Zweiten Weltkrieg überstand und bis in die 60-er Boomjahre der jungen Republik florierte.

Das bezog sich auch auf den Platzbedarf. Als die benachbarte Kammfabrik schloss, kaufte Kress dieses Gelände dazu. Leichte Anzeichen für einen Niedergang waren bereits in den späten 70-er Jahren zu erkennen, in den 80-ern wurden die Wolken am Horizont dunkler. 1996 dann der Konkurs. Die Anstrengungen aller Beteiligten, das Unternehmen als Kress II und Kress III fortzuführen, scheiterten. Im März 2001 war endgültig Schluss.

Da war der Zeitpunkt allerdings schon erreicht, an dem die erste erfolgreiche Weiternutzung begonnen wurde. Thomas Krah, der 1976 bis 1994 bei Kress gearbeitet hatte, zuletzt als Prokurist, kaufte den Bereich der früheren Flocke-Färberei aus der Insolvenzmasse. Faser Veredlung Tönisvorst (FVT) heißt das Unternehmen. Es klingt wenig, aber mit 15 Mitarbeitern und einer Produktion von 220 Tonnen ist FVT der größte Betrieb dieser Art in Deutschland. "Ein Großteil der Produkte geht in die Automobilindustrie, wird überwiegend in Kofferräumen eingebaut", erklärt Krah.

Allerdings versuche man, sich aus diesem Sektor zu lösen. "Wir wollen andere Standbeine aufbauen", sagt Krah. Dazu zählen die Filtertechnik, Kosmetik, medizinische Bleiche. Aber auch im Straßenbau spielen die Produkte eine Rolle. So wird Material produziert, das für Böschungsabdeckungen verwendet wird.

FVT ist nicht die einzige Firma, deren Betrieb zumindest an die frühere Nutzung des Geländes anknüpft. Da gibt es das Unternehmen Coloprint, das auf Camouflage-Anzüge spezialisiert ist. Bedruckt werden die Textilien in Krefeld, in St. Tönis wird gewaschen und gedampft.

Ebenfalls am Maysweg ansässig ist CTV, was für Creative Textil Veredlung steht. Unter anderem werden hier Stoffe gecrasht, das heißt, die Materialien bekommen beispielsweise einen Knitter-Look. Andere werden im Bereich Sonnenschutz eingesetzt, wieder andere bekommen einen Transferdruck.

Auf das Waschen von Konfektionstextilien hat sich die Firma WTF spezialisiert. Hier werden unter anderem besondere Effekte auf Jeans gebracht. Die Gebrüder Becker handeln vom Kress-Gelände aus mit Stoffen.

Zu den Gewerbebetrieben, die nichts mehr mit der ursprünglichen Firma Kress zu tun haben: Büroräume hat die Firma Bäumer Betriebshygiene in Beschlag genommen, ebenfalls vertreten ist Elektrotechnik Nauen, ein Unternehmen, das sich auf Industrieanlagen konzentriert. Ein größeres Areal hat Hennessen und Potthoff für Kartonagen angemietet. Metallbau Thiele (früher Kanders) ist ebenfalls auf dem Areal ansässig.

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