Westbahnhof St. Tönis: Mit dem Zug schnell in den Wald

Manche kleineren Haltepunkte für die Bahn sind heute längst Geschichte. Zum Beispiel der St. Töniser Westbahnhof.

St. Tönis. Zeitweise von drei Routen wurde St. Tönis von der Eisenbahn berührt: Da war zunächst die südliche Strecke von Krefeld nach Viersen, ein ganzes Stück weg vom damaligen Zentrum der Gemeinde. Nur wenige Fahrminuten vom Hauptbahnhof Krefeld entfernt lag der schon vor 120 Jahren als Naherholungsgebiet geschätzte Forstwald. Was letztlich auch der Grund war, den Haltepunkt Forsthaus einzurichten.

„Auf Wunsch der Stadtvertretung zu Crefeld werden seit einiger Zeit während des Sommers an Sonn- und Festtagen, mittwochs und samstags jeder Woche versuchsweise Sonderzüge von Crefeld nach und von dem Forsthaus gefahren“, heißt es in einer Erklärung der Eisenbahn-Direktion. Grund: „Um den Einwohnern der Stadt Gelegenheit zu geben, nach kurzer Eisenbahnfahrt direkt in den Wald zu kommen.“ Die Reisenden mussten auf freier Strecke den Zug verlassen.

Dennoch: Einen Grund zur Einrichtung eines ständigen Haltepunktes sah man bei der Eisenbahn nicht. Der wurde trotzdem gebaut und 1897 eingeweiht. In der ersten Saison wurden 11 400 Billetts verkauft. Bis weit ins 20. Jahrhundert fuhren Menschen bis in den Forstwald, um den Nachmittag dort z.B. gegen einen geringen Obolus fürs Ausflugslokal auf bequemen Liegen im Grünen zu verbringen. Verpflegung brachte man sich selbst mit.

Ein Stück weiter auf dieser Strecke lag, noch vor Anrath, der Haltepunkt Hochbend. Dort befindet sich heute das gleichnamige Landhaus. Dieser Haltepunkt war 1909 eingerichtet worden. Sehr frequentiert war die Strecke nicht, zunächst war dort ein Zug täglich unterwegs. Karten gab’s beim Schrankenwärter. Davon verkaufte dieser im ersten Jahr immerhin 1299, vier Jahre später schon 1912.

Im Norden des Gemeindegebietes verläuft sei über 120 Jahren die Verbindung von Krefeld nach Kempen und Kleve. Am 1. Oktober 1889 wurde die Haltestelle „Bahnhof Benrad“ eröffnet. Diese Verbindung wurde insbesondere bis in die 50er Jahre von unzähligen Wallfahrern auf dem Weg nach Kevelaer genutzt.

„Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, als ich mit vielen anderen Gläubigen und den Fahnenabordnungen der kirchlichen Vereinigungen durch den Ort über die Hülser Straße nach Benrad zogen“, sagt Heinrich-Josef Thelen, Vorsitzender des Heimatbundes St. Tönis. Damals wurden sogar Sonderzüge mit einigen Waggons eingesetzt, um auch die Pilger aus St. Tönis aufzunehmen. Gleichzeitig mit der Haltestelle und dem Bahnhof, der dann später in das Eigentum eines Landmarktes überging, wurde dort unmittelbar am Haltepunkt auch die „Schenkwirtschaft Matthias Reuter“ eröffnet. Dort wurden auch anfangs die Eisenbahnfahrkarten ausgegeben.

Hinter den Tresen der Wirtschaft stand zunächst Mathias Reuter, der nebenbei auch im Kohlen-, Kunstdünger- und Gemüsehandel tätig war. Das Lokal blieb zunächst im Familienbesitz. Zuletzt führte noch in den 90er Jahren Agnes Reuter das beliebte Ausflugslokal, in das auch zahlreiche Vereine und Straßengemeinschaften gerne einkehrten.

Mitten durch St. Tönis lief die Strecke der Krefelder Eisenbahn bis Süchteln. Und hier gab es auf dem Gemeindegebiet nicht nur den Bahnhof Wilhelmplatz, sondern ein paar hundert Meter weiter auch einen Haltepunkt, der Westbahnhof hieß. Dorthin brachte der Zug die Menschen zum Strandbad Tacksee. Das Strandbad war über die Städtegrenzen bekannt. Vor hundert Jahren gingen die Menschen hier streng getrennt nach Geschlechtern baden. Auch nach seiner Schließung — ein Sturm hatte es unbrauchbar gemacht — wurde bis in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts in diesem See gebadet. Heute erinnert ein Teil des Gewerbegebietes bei Real noch an diese Einrichtung, der See ist allerdings längst zugeschüttet worden.

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