Wohnzimmerkonzert: Magische Nacht mit Saxofonist Jake Clemons

Springsteens Saxofonist Jake Clemons verzaubert das Publikum im Wohnzimmer von Ruth und Guido Beckers.

Wohnzimmerkonzert: Magische Nacht mit Saxofonist Jake Clemons
Foto: Friedhelm Reimann

St. Tönis. Im vergangenen Jahr war er im Wohnzimmer der Mönchengladbacher Borussia am Nordpark zu Gast — da hörten ihm 50 000 Menschen zu. Das Wohnzimmer von Ruth und Guido Beckers aus St. Tönis fasst 40 Besucher. Die gekommen sind, um Jake Clemons zu erleben, den Saxofonisten der E Street Band von Rock-Gigant Bruce Springsteen. Und sie erleben einen Abend der Kategorie „once in a lifetime“ (einmal im Leben).

Wohnzimmerkonzert: Magische Nacht mit Saxofonist Jake Clemons
Foto: Reimann, Friedhelm (rei)

Die Hausherrin ist sichtlich nervös. „Hoffentlich passen die alle ins Wohnzimmer“, sagt Ruth Beckers. Ihre Sorge ist unberechtigt, es gibt Platz satt. „Sydney, Brisbane, Rom, St. Tönis“ — so kündigt Guido Beckers den Musiker an, der seine Tournee ausschließlich in Wohnzimmern absolviert.

Clemons legt los. Es ist unglaublich: In Minuten verwandelt sich dieser fast schüchtern wirkende junge Mann in einen Künstler mit einem Riesen-Charisma.

Einzuordnen ist seine Musik nicht, bewegt sich irgendwo zwischen Ballade, zum Teil blueslastigen, zum Teil souligen Songs. Oft mit einem so melancholischen Unterton, dass es einem die Tränen in die Augen treiben will. Clemons erzählt: „Das Leben hält viele Lektionen bereit. Am besten lernt man, Fehler bei anderen zu sehen.“ Dann greift er wieder in die Saiten und singt mit dieser Stimme, die vor allem eines ist: eindringlich. 34 Jahre alt ist er und mit seiner Entwicklung noch lange nicht am Ende.

Das Publikum, fast alle sind Springsteen-Fans und deutlich älter als Clemons, ist „hin und weg“, andächtig ist wohl das richtige Wort. Was sich auch daran festmacht, dass es mucksmäuschenstill ist. Verlässt jemand den Raum, tut er das auf Zehenspitzen. Hausherr Guido Beckers scheint am Fußboden angebunden zu sein, ansonsten würde er unter der Decke schweben, das verrät sein Gesichtsausdruck.

Von Song zu Song steigert sich der Applaus, der Stargast hat seine Zuhörer längst im Griff. „Gibt’s Fragen“, fragt er ins Publikum. Natürlich, vor allem eine: „Warum machst Du das?“ „Ganz einfach“, sagt Clemons, „Musik ist sehr stark Entertainment geworden, du kannst sie nicht mehr anfassen, sie riechen. Dabei ist doch Musik ein Stück deines Lebens.“ Dieses Stück holt er sich: „Wir sind hier in einem Zuhause. Nur Ihr und ich.“ Das andere allerdings, die Sache mit dem Entertainment, sei natürlich auch klasse.

Klar, er muss bei seinen Auftritten über seinen Onkel sprechen, „Big Man“ Clarence Clemons. Den Mann, in dessen Fußstapfen er bei der E Street Band getreten ist.

Und dann wird’s noch melancholischer, fast schwermütig. Was Jake allerdings damit auflöst, dass er „Friend of Mine“ spielt, jenen Song, den sein Onkel gemeinsam mit Jackson Browne eingespielt hat. Tosender Applaus, das Konzertende naht. Nicht ohne noch einen Höhepunkt bereitzuhalten. Clemons greift zum zweiten Mal an diesem Abend zum Saxofon, lässt das Instrument singen, schreien, wimmern. Großartig. Fast zweieinhalb Stunden hat der Abend gedauert.

Zu Ende ist die Veranstaltung noch lange nicht. Es gibt Geschenke. Ruth und Guido Beckers schenken Clemons ein Stück eines Bausteins, auf dem sein Foto zu sehen ist, es ist das aus der Vorankündigung der WZ. Eine Frau schenkt ihm ein T-Shirt, auf das ein Saxofon gestickt ist. Natürlich wollen alle ein Foto mit dem Künstler.

Die St. Töniserin Sabine Kempkes lässt sich den Artikel aus der WZ signieren. Weit nach Mitternacht ist der Mann aus Virginia immer noch da, schreibt Autogramme und diskutiert mit den Fans. Und weil noch niemand nach Hause gegangen ist, gibt’s noch ein Gruppenfoto. Was für ein Abend.

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