Dülken: Gesunken, geborgen, gerettet

Im letzten Kriegsjahr verschwanden Dülkener Dokumente im Mittellandkanal. Der Restbestand ist nun zurückgekehrt.

Dülken. Bei einem frisch vermählten Paar, dass das Trauzimmer im Dülkener Rathaus verlässt, kann die Stimmung kaum euphorischer sein als gestern Morgen bei den Vertretern der Stadtverwaltung, des Rates, der Heimatfreunde Viersen und des VVV (Verkehrs-und Verschönerungsverein Dülken). Der gebürtige Dülkener Historiker René Franken, der heute in in Westfalen lebt, stellte im Trauzimmer die "Kahn-Akten" aus dem früheren Stadtarchiv Dülken vor und sprach von den "historisch bedeutendsten und ältesten Fragmenten zur Dülkener Stadtgeschichte". Der Kulturausschussvorsitzende Helmut Becker (SPD) ergänzte: " Die Kahn-Akten waren versunken, jetzt sind sie, Gott sei Dank, wieder aufgetaucht."

Was einst aus dem Dülkener Stadtarchiv nach Düsseldorf ging, habe man anhand von Aufzeichnungen gewusst, sagt Stadtarchivar Marcus Ewers. Dass davon aber eines Tages, 64 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, der letzte Rest zurückkehren würde, hätte kaum einer erwartet.

"Bei einem Vortragsabend in Dülken war erstmals die Rede von eben diesen Kahn-Akten gewesen", erinnert sich Franken. Er habe der Anregung eines Bürgers - ein in Dülken wohnender Mitarbeiter des Landesamtes für Statistik - zunächst nur bedingt Beachtung geschenkt. Dieser bemerkte, "dass es von Dülken noch einen Restbestand in Düsseldorf gibt."

Der Hintergrund: Mitten im Krieg wurden bedeutende Teile des ehemaligen Staatsarchivs (heute Landesarchiv NRW) verpackt, sie sollten per Lastkahn zur Einlagerung in niedersächsische Salzstöcke gebracht werden - zum Schutz vor Luftangriffen. Das Dülkener Material landete auf dem Boot "Main 68". Aber: Der Kahn wurde auf dem Mittellandkanal am 15.März 1945 in Brand geschossen und sank.

Das Wrack wurde nach dem Krieg geborgen, doch das kostbare Gut wies viele Schäden auf. In mühevoller Detailarbeit wurden die geretteten Materialien in den vergangenen Jahrzehnten in Düsseldorf restauriert und dem Viersener Archiv übergeben. 1985 kam der vorerst letzte große "Batzen", wie Ewers sagt. Nun ist auch der in Vergessenheit geratene Rest zurückgekehrt.

Franken ist besonders fasziniert von den Details zur Dülkener Stadtbefestigung. Auch ein altes Wachbuch ist nun im Besitz des Archivs. "Die Rückführung darf gefeiert werden", sagte Heimatvereinsvorsitzender Albert Pauly. Er listete auf, was nun gemacht werden müsse: digitalisieren, gliedern, Zusammenhänge finden - und möglicherweise die Stadtgeschichte neu schreiben.

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