Anrath: Alter Hof für junge Leute

Die neuen Mieter des Vierkanthofes stellen ihre pädagogische Ambulanz vor.

Anrath. Es ist ein Idyll: Ein alter Bauernhof mit moderner Einrichtung und gemütlichem Innenhof, direkt an einem Feld und einer schönen Allee. Doch die Anwohner wissen: Der Vierkanthof am Bökel 27 hat schon mal ganz anders ausgesehen. "Eine Ruine war das früher", sagt Manfred Herrmann. "Es ist einfach enorm, was die aus dem Altbau gemacht haben", fügt der Besitzer der Gaststube "Zum Bökel" hinzu. Er ist mit seiner Frau Elisabeth gekommen, um sich das Ergebnis der Restauration anzusehen.

Vor einem Jahr hatte der Verein für Jugend- und Familienhilfe den Bauernhof gekauft. Bisher war er in Kaarst-Büttgen untergebracht. Zum Einzug wurden nun alle Nachbarn eingeladen, und das Interesse ist groß - wie schon bei der ersten Informationsveranstaltung vor drei Wochen: "Wir freuen uns sehr darüber, dass die Nachbarn uns so freundlich hier aufnehmen", meinte Detlef Wiecha, Koordinator bei der evangelischen Jugend- und Familienhilfe.

Auch er ist mit den neuen Räumen zufrieden. Hier ist eine Mädchengruppe des Vereins untergebracht. Es handelt sich dabei um Kinder und Jugendliche, die in Obhut genommen werden, weil sie gerade eine Krise durchmachen. "Wir schauen uns gemeinsam an, welche Perspektive die Mädchen haben und entscheiden dann, wohin wir sie vermitteln können", erklärt Rebecca Schiefer, Leitungsfachkraft der pädagogischen Ambulanz.

Ab Januar des kommenden Jahres wird eine zweite Gruppe einziehen: Die sogenannte "Clearing-Gruppe". Drei Monate lang werden die Kinder und Jugendliche darin intensiv betreut: "In manchen Fällen lässt sich nicht so schnell klären, was eigentlich alles vorgefallen ist, oder wie es weitergehen soll", so Schiefer.

Insgesamt 14 Pädagogen sind im Alltag im Einsatz, zusätzlich führt Diplom-Pädagogin Schiefer Perspektivengespräche mit Eltern, Lehrern und wichtigen Bezugspersonen, und zwei Psychologen arbeiten mit den manchmal auch traumatisierten Mädchen. "Die Krisen, warum die Kinder hier hinkommen, können ganz unterschiedlich sein", ist die Erfahrung von Wiecha. Manchmal sei es eine Scheidung, sexueller Missbrauch, oder auch überforderte Eltern: "Die Fälle, in denen Eltern psychische Probleme haben oder einfach von der Situation - zum Beispiel als Alleinerziehender - überfordert sind, nehmen leider zu."

Dass die Arbeit mit den vielen Krisenfällen den Betreuenden Spaß macht, liegt auch an Fällen wie dem einer vernachlässigten 14-Jährigen, die allen Erwachsenen misstraute, ständig weglief und sich an keine Regel hielt: "Wir konnten letztendlich ihr Vertrauen gewinnen. Heute lebt sie in einer kleinen Wohngruppe und es geht ihr viel besser", erzählt Schiefer.

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