Anti-Semitismus: Mahnmale im Bürgersteig

Sieben Stolpersteine erinnern an die deportierte Familie Kaufmann.

Schiefbahn. Die Sonne scheint auf das gelbe Wohnhaus an der Schulstraße 2 in Schiefbahn. Davor hat sich eine Gruppe von 50 Menschen versammelt. Eingepackt in warme Winterkleidung bilden sie einen Halbkreis um einen Mann, der auf dem Bürgersteig kniet: Gunter Demnig.

Der Künstler verlegte am Montag Nachmittag die ersten Stolpersteine in Willich. Die zehnte Klasse des St. Bernhard-Gymnasiums hatte gemeinsam einen Antrag zur Verlegung der Stolpersteine bei der Stadt gestellt und so die Aktion initiiert.

Gewohnt hat hier die siebenköpfige Familie Kaufmann, die als erste jüdische Familie aus Willich in das Ghetto in Lodz deportiert wurde. Friedrich Kaufmann überlebte als einziges Familienmitglied den Holocaust. Er starb 1997 in New York. Sein Name steht in der Mitte.

Ein ganz besonderer Gast ist Alfred Mayer. Er ist Überlebender des Holocaust und war gemeinsam mit Friedrich Kaufmann Zwangsarbeiter im Ghetto. „Wir sind abends gemeinsam von der Arbeit gekommen und sechs Familienmitglieder von Fritz waren ermordet“, sagt er.

Die Zeremonie zur Verlegung hat ihn sehr bewegt. „Dass Menschen das Ganze jetzt wiederholen, begreife ich nicht. Das ist das Schlimmste“, sagt er mit Blick auf den aktuellen Anit-Semitismus.

Jürgen Löscher von der Kreismusikschule in Mönchengladbach sorgt für eine nachdenkliche Stimmung bei den Umstehenden, als er auf der Klarinette Stücke aus der jüdischen Musik spielt. Der stellvertretende Bürgermeister Dieter Lambertz dankt den Schülern für ihr Engagement.

„Je nachdem in welche Familie wir hineingeboren waren, waren wir plötzlich in Lebensgefahr.“ Pfarrer Markus Poltermann aus der katholischen und Joachim Schuler von der evangelischen Kirche sind ebenfalls zur Verlegung gekommen, um Gebete zu sprechen.

Sieben glänzende Messingplatten erinnern nun an der Schulstraße an die Taten des NS-Regimes und an die Familie, die als Bürger Willichs nicht vergessen werden sollen. „Wir wollten den Ermordeten nicht nur ihren Namen wiedergeben, sondern auch ihr Gesicht“, sagen die Schüler, die anderthalb Jahre an dem Projekt gearbeitet haben. Zu den Stolpersteinen stellen sie Fotos von den Familienmitgliedern und legen weiße Rosen dazu. „Wir waren beim Zug der Erinnerung, daraufhin hatten wir die Idee für die Stolpersteine“, sagt der 16-jährige Julian.

„Die Umsetzung war gar nicht so einfach, weil diskutiert wurde, ob die Stelle nicht zu dezentral ist und das Andenken durch die Steine mit Füßen getreten wird“, erklärt Lehrer Bernd-Dieter Röhrscheid.

Der Zentralrat der Juden hätte aber gerade die Lage direkt vor den Häusern befürwortet. Deshalb kann das Projekt nun umgesetzt werden. 24 Sponsoren haben die Patenschaft für 30 Steine übernommen. „Die werden in der Reihenfolge verlegt, in der die Familien deportiert wurden“, sagt Röhrscheid.

Eine weitere Idee der Schüler ist es, an der Hauswand eine Gedenktafel mit den Bildern der Ermordeten aufzuhängen. „Da müssen wir aber erstmal gucken, ob wir das finanziert bekommen“, sagt Röhrscheid.

Für ihn ist das Projekt eine Vergangenheits- und Zukunftsbewältigung. Die Schüler haben freiwillig an der AG mitgewirkt „wenn einer von ihnen Antisemitisches hören würde, bin ich mir sicher, dass er den Mut entwickelt hat, aufzustehen.“

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