Mundart lernen: „En lecker Pöppke“

Anrötsch Platt lebt: Albert-Schweitzer-Schüler lesen und singen Mundarttexte.

Anrath. Ruth Fehrholz nimmt ihre Gitarre in die Hand und erinnert die Kinder vorsichtshalber noch einmal an die Melodie: „Ein Männlein steht im Walde“. Tatsächlich aber geht es in dem Liedtext nicht um das Männlein mit dem purpurroten Mäntelein, sondern um „en lecker Pöppke“. Am Schluss bleibt vom „Pöppke, met Botter drop,“ nur noch „de letzte Spier“. Ratzfatz aufgegessen ist er, der Buckmann.

Serviert wird er in der Mundart-AG der Albert-Schweitzer-Grundschule. 18 Jungen und Mädchen, aus den Jahrgangsstufen 2 bis 4, pflegen das Anrötsch Platt. Selbst Zungenbrecher gehen ihnen mittlerweile flüssig über die Lippen, werden von Mal zu Mal selbstbewusster singend gelesen. Lehrerin Ruth Fehrholz ist ebenso zufrieden wie ihr Mundart-Kompagnon Friedel Kluth, der sich — wie so oft — an einem Mittwochvormittag Zeit für diese „Sprechstunde“ genommen hat.

„Unsere AG besteht seit drei Jahren“, sagt Ruth Fehrholz und freut sich über die Konstanz. Die Idee zu dem freiwilligen Unterrichtsangebot „Mundart“ entwickelte sie im Jahr vor der 1000-Jahr-Feier Anraths mit Friedel Kluth, der im Anrather Bürgerverein aktiv ist. Die Idee lebt über das Festjahr fort, die AG hat sich etabliert.

Das Gedicht „Deä Klo-es“ ist heute für alle neu. Zeile für Zeile liest Kluth die Verse des Krefelder Heimatdichters vor, dessen Werk er dem Anrather Platt angepasst hat. Wie Sprachdetektive spüren die Kinder jedem einzelnen Wort nach. Bei „en jruote Blo-es“ hakt es kurz. Doch beim Hinweis auf den Martinszug macht’s klick: „Die große Tüte“! Jan-Peter aus der 3b ist das zweite Jahr dabei. Er knackt viele unbekannte Wörter. Ilyas und Ahmet lesen fehlerfrei vor. Jan-Peter hat Opas Stimme im Ohr, wenn er an Mundart denkt. Joey, der Jüngste in der Runde, ein Junge aus der 2b, erzählt von seiner Tante aus Hamburg, mit der er gemeinsam ein Mundartgedicht gelesen hat. Gerade hat er erfahren, dass „schenge“ nicht schenken, sondern schimpfen meint.

Das sprachliche Repertoire der Kinder wird immer größer. Sie leiten Bedeutungen her und nehmen dafür sogar manchen Umweg über Mönchengladbach. Auch wenn die „Ruut“ nicht gleichbedeutend mit der (Borussen-)Raute ist, führt der Gedankenweg weiter. „Ruut“ steht für Rechteck und meint im neuen Nikolaus-Gedicht „Fensterscheibe“. Wieder was gelernt!

Lieder, Gedichte, Prosastückchen — der Mundart-Hefter der Fehrholz- AG füllt sich zusehends. Woche für Woche festigen sich Klang und Bedeutung der neuen „Vokabeln“. „Die Kinder sind begeistert bei der Sache“, freut sich Friedel Kluth. Der Appetit auf Anrather Platt ist da. Nicht nur, weil sich der Buckmann-Esser im Lied sicher ist: „Nächstes Joahr brengt mech deä Kloes en wier!“

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