Nachfahre der Brüder Grimm

Der Schiefbahner Klaus Hassenpflug hat mehrere berühmte Ahnen. Über einen gab er ein Buch heraus.

Schiefbahn. Nur mal angenommen: Aus dem Besitz der Brüder Grimm taucht ein Wertgegenstand auf, der bislang nicht bekannt war. Wem gehört dieser? Den Erben. Und wo sitzen die ersten Erbberechtigten? In Schiefbahn. Das ist kein Witz. Im Unterbruch lebt Klaus Hassenpflug mit seiner Frau Uschi.

Der ehemalige Richter ist direkter Nachfahre der berühmten deutschen Sprachforscher. Seine Ururgroßmutter Lotte Hassenpflug war eine gebürtige Grimm und die Schwester von Jacob und Wilhelm. Davon später mehr.

Doch auch der andere Teil der Familie ist prominent: Ludwig Hassenpflug (1794 bis 1862), Ururgroßvater des Schiefbahners, war kurhessischer Innen- und Justizminister (1832 bis 1837 und 1850 bis 1855) und unter den Zeitgenossen so unbeliebt wie sonst kaum ein anderer Politiker. „Er war autoritär. Seine Unbeliebtheit ging so weit, dass er von einigen Adeligen verprügelt wurde“, erzählt Klaus Hassenpflug.

Zudem lebte der Mann in permanenter Geldnot, was mit Unterhaltsansprüchen durch viele Kinder zu tun hatte. Letztlich bekam er von der Regierung sogar zwei Gehälter, um sein Leben einigermaßen finanzieren zu können. Vielleicht war das der Grund, warum er in den letzten Lebensjahren seine Memoiren über die Zeit bis 1821 schrieb. Bis zur Veröffentlichung dauerte es allerdings — bis 2010. Klaus Hassenpflug hatte sich des Themas angenommen und zehn Jahre daran gearbeitet.

Die Geschichte ist ebenso rührend wie kurios. „ich hatte das Manuskript meines Vorfahren schon als Achtjähriger mal für zehn Minuten in der Hand“, erinnert sich Klaus Hassenpflug. Das war in Königsberg, bevor die Familie vor der Roten Armee fliehen musste. Die Habe der Familie blieb in Königsberg, inklusive des Buches. Was also rettungslos verloren war.

Viele Jahre später, bei einem Treffen der Grimm-Gesellschaft in Kassel, erwähnte Hassenpflug in einem Gespräch mit dem Wuppertaler Historiker Ewald Grothe das Manuskript. „Zu meiner großen Überraschung erfuhr ich, dass es als vollständige Fotografie noch existierte“, erinnert sich Hassenpflug.

„Das hat mich umgehauen.“ Ein Großonkel hatte es fotografiert, ein Vetter besaß die Kopie. Zwei komplette Leitz-Ordner. „Da erschien es mir angebracht, den Verlust der original-Handschrift durch eine Transkription und deren Herausgabe als Buch zu kompensieren“, erklärt Hassenpflug trocken.

Denn was sich so einfach liest, gleicht einer Herkulesaufgabe. Die Handschrift ist schon schwer genug zu lesen, hinzu kommt die ungewohnte Rechtschreibung, der Satzbau, und, und, und. Es dauerte zehn Jahre. Nach etlichen Besprechungen, Redaktionssitzungen und Telefonaten war’s geschafft. Hassenpflug stellte das Buch in Kassel vor.

Was ist dabei herausgekommen? Ein spannender Einblick in die Zeit der Grimms. Präzise schildert Ludwig Hassenpflug etwa, wie er am Kampf gegen Napoleon teilnimmt. Das Ganz ist von einem hohen dokumentarischen Wert und eine wichtige Quelle zur Alltagsgeschichte. So werden große Feste in Kassel und Göttingen en Detail geschildert.

Hat es sich gelohnt? „Ja“, sagt der Schiefbahner Hassenpflug. Ein bisschen habe er immer ein schlechtes Gewissen für seine Eltern gehabt, weil diese das Manuskript nicht in Sicherheit gebracht hatten.

Was verbindet ihn mit den Brüdern Grimm? „Sie waren eigentlich immer präsent in meiner Familie. Heute beschäftige ich mich mit ihnen durch Günter Grass, der über die Wörterbücher schreibt.“ So lernte er die Brüder auch fast persönlich kennen: „Jakob kannte wirklich nur seine Sprachforschung, Wilhelm war immerhin verheiratet.“ Seine Kinder blieben wiederum kinderlos. Was wiederum den eingangs geschilderten Erbanspruch begründet.

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