Pyramide? Klappt nicht!

Wie ein Volontär beim „Berufserprobungs-Parcours“ an Kugeln und Servietten verzweifelte.

Schiefbahn. Eine harmlose Serviette kann einen in den Wahnsinn treiben. Unschuldig liegt sie vor mir auf dem Tisch. Blau, ein paar Quadratzentimeter nur groß, im "Rohzustand" sozusagen. Ich soll daraus jetzt einen Fächer basteln, Origami lässt grüßen. Klingt einfach und eine genaue Anleitung habe ich ja auch. Mal schauen: Erst mal ein paar Reihen knicken. Okay. Dann halbseitig umknicken und am Ende irgendwie eine Lasche ziehen, "damit sich der Fächer entfaltet". Wie? Lasche? Die gibt’s bei mir doch gar nicht. Ich betrachte mein Machwerk und erkenne: Ich habe mir einen Wolf gefaltet und bin gescheitert, auf ganzer Linie.

Zum Glück gibt’s ja noch andere Aufgaben, insgesamt zwölf. "Berufserprobungs-Parcours" heißt die Horror-Tour, auf die ich mich eingelassen habe. Mit mir treten 25Neuntklässler der Robert-Schuman-Gesamtschule Willich den Ritt durch die Stationen an. Ein Mädchen neben mir sieht meinen "Möchtegern-Fächer" und schüttelt den Kopf. Danke, ich habe verstanden. Die Serviette wandert in den Papierkorb. Ist vielleicht besser so.

Schnell verlasse ich die Stätte meiner Schmach und setze mich einen Tisch weiter. "Vor allem handwerkliche und praktische Aufgaben sind zu absolvieren", erklären Kirsten Thoneik und Dr. Guido Kluth von der IHK Mittlerer Niederrhein, die mit dem Parcours regelmäßig in Schulen gastieren. Das hätte ich vorher wissen müssen, bei mir sind zwei linke Hände Programm.

Was muss ich jetzt tun? Einen Überweisungträger richtig ausfüllen, heißt es auf dem Aufgabenzettel. 55 Euro an einen fiktiven Verkäufer Ebay-Verkäufer überweisen. Das kann ich und heimse fünf Punkte ein. Das Maximum. Boah, bin ich gut. Und wie machen sich die anderen? Sina ist nicht ganz so schnell mit dem Ausfüllen. "Aber ich habe das vorher ja auch noch nie gemacht." Bei der Serviette trennt sich die Spreu vom Weizen, es gibt aber auch Jungs, die das können.

Es geht weiter. Beim räumlichen Denken habe ich einen Aussetzer. Aus Holzkugeln soll eine Pyramide gebaut werden. Nach elend langen drei Minuten gebe ich auf. Wie peinlich. "Komm, ich zeig’ dir, wie das geht", hat Cedric Mitleid - und innerhalb von 15 Sekunden das Gebilde fertig. Kirsten Thoneik zeigt Verständnis für mich: "Bei uns gab es auch viele, die das nicht konnten."

Der Schwerpunkt liegt halt auf handwerklichen und praktischen Fähigkeiten. Als "Schreiberling" bin ich da auf dem falschen Dampfer, was ich beim Drahtbiegen und Holzbohren wieder eindrucksvoll merke. Die Wechselschaltung bekomme ich auch nur zum Laufen, indem ich wild alle Kabel durcheinander stecke, bis die Lämpchen leuchten. Aber ich gebe nicht auf, am Ende gibt’s die Auswertung.

"Wir fragen die Jugendlichen immer als erstes, was ihnen am meisten Spaß gemacht hat", sagt Thoneik, "anschließend, wo sie die meisten Punkte geholt haben und was sie später einmal machen möchten. Eigentlich sind das dann immer die gleichen Stationen." Wer zum Beispiel beim Thema "Netzwerke" nur Bahnhof versteht, sucht natürlich keinen Beruf als Fachinformatiker. Cedric zum Beispiel will auf jeden Falll etwas Handwerkliches machen. Und für mich steht spätestens seit gestern fest: Als Tischler oder Mechaniker hätte ich sicher ganz schlechte Karten. Gut, dass ich schon einen Job habe.

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