Wahlefeldsaal: „Brauchtum geht vor Einzelinteresse“

„Rettet den Wahlefeldsaal“: Teilnehmer an der Demonstration waren mit der Resonanz sehr zufrieden.

Neersen. Robert Brintrup, Vorsitzender der St. Sebastianus-Bruderschaft, winkt ab. „Nein heute Abend rede ich nicht“, sagt er, reiht sich stattdessen in die große Gruppe der Demonstranten ein. Freitagabend, Feierabend, und die Malteser Straße ist dicht. Ein 200 Meter langer Zug setzt sich in Bewegung — Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Pfeifen, Tröten, Hupen und Plakaten „Rettet den Wahlefeldsaal“ in der Hand.

Auf dem Weg über Hauptstraße, Roth- und Eichenweg bis zum Minoritenplatz schließen sich immer mehr Menschen an. Die Polizei schätzt, dass es am Ende 400 bis 500 Demonstranten sind.

„Der Zuspruch ist enorm“, staunt Rosemarie Nielbock, Mitglied der KG Edelweiß. Sie ist mit ihrem Mann Hans aus Willich nach Neersen gekommen. Nein, sagen beide, Jürgen Leipertz, Präsident der Schlossgeister, habe bei seiner Rede nicht übertrieben: „Es muss doch wachgerüttelt werden.“

Leipertz hat das Wir-Gefühl in Worte gepackt: „Wir sind geschockt, wütend, erbost! Wir haben Angst und Sorgen um die Zukunft und die Aktivitäten unserer Vereine.“ In Neersen gebe es nun keinen geeigneten Raum mehr für Veranstaltungen mit Publikum von mehr als 100 Personen.

Leipertz spricht die Klägerin direkt an: „Verehrte Anwohnerin, Sie müssen sich hier einmal fragen lassen, was Ihre Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft der Bürger und der Allgemeinheit in Neersen ist!“ Beifall von allen Seiten.

Rettet den Wahlefeldsaal, rettet das Brauchtum. Da sind sie sich Hunderte einig. Wie Frieder Nöhles vom Festausschuss Willicher Karneval denken alle: „Brauchtum geht vor Einzelinteresse“, hat er auf sein Plakat geschrieben. Das Mittel der Demo hält er für eine gute Idee. „Wir müssen uns Gehör verschaffen.“

Auch Anna Miertz hat sich mit ihrem Rollator in der Dämmerung auf den Weg gemacht. „Sonst gehe ich nach 18 Uhr nicht mehr aus dem Haus. Aber heute musste ich dabei sein.“ Carolin, Lena und Vivian von der Jugendabteilung der St. Sebastianus-Bruderschaft haben keinen Moment gezögert, an der Demo teilzunehmen. Der Wahlefeldsaal ist auch ihr Treff für viele Aktivitäten.

Während Leipertz redet, gehen Unterschriftenlisten herum. „Jede Menge fachliche Inkompetenz und Versäumnisse ohne Ende“ macht Leipertz der Stadtverwaltung zum Vorwurf. Immer seien die Neersener die Leidtragenden. „Die Verwaltung hat von Anfang an zu kurz gegriffen, nichts zu Ende gedacht und extrem schlampig bei den Genehmigungen gearbeitet. Darunter sollen wir jetzt leiden.“

Die Niershalle als Saal-Alternative für die nächste Zeit lehnt er ab. „Nicht geeignet.“ Für geeignet hält er ein Festzelt im Zentrum von Neersen. „Die Neersener haben ein Zelt immer angenommen.“

Für die Zukunft aber „fordern wir für den Wahlefeldsaal eine Genehmigung, die wieder die Veranstaltungen aller Vereine im Brauchtum im Sport, in der Kultur und für das Gemeinwohl zuverlässig möglich macht“. Eine wasserdichte Genehmigung, die Rechtssicherheit gibt. „Wir wollen keine Schlafstadt sein!“

Die Worte hat Bürgermeister Josef Heyes nicht gehört. Er ist im Urlaub und fehlte entschuldigt.

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