Bahnstrecke reaktiviert: „Tag und Nacht nur Züge“

Ärger: Familie Busch wohnt in Ohler ein paar Meter von den Bahngleisen entfernt. Da war es immer laut. Aber seit Wochen ist es für sie unerträglich geworden.

Mönchengladbach. Schäfchen zählen zum Einschlafen, das funktioniert bei der Ohlerin Irmgard Busch nicht. Züge zählen und wach bleiben, das kommt der Wahrheit näher. "Ich kriege die Krise. Ich hab so einen Hals", sagt Irmgard Busch, wenn sie über den Bahnverkehr auf den Gleisen an der Wilhelm-Wachtendonk-Straße spricht. Die 52-Jährige lebt mit ihrem Mann Heinz-Peter und dem Sohn (19) seit zehn Jahren hier. Von ihrem Balkon aus, kann sie "auf die Gleise spucken", sagt sie.

Mit Lärm von Zügen leben die Familie und ihre Nachbarn schon seit mehreren Jahren. "Mal ist es mehr, mal weniger. Aber seit zwei Wochen ist es besonders schlimm", sagt die Ohlerin. Schwere lange Güterzüge, zum Beispiel Transporte mit Hunderten Autos rollen vorbei, zwischen Haus und Gleisen liegt nur die Straße. Tag und Nacht rattern Waggons vorbei. "Mein Sohn, der sein Schlafzimmer an der Seite liegen hat, steht nachts im Bett.".

Sie habe schon überlegt, ob der Eiserne Rhein heimlich längst wieder aktiviert sei und an ihrem Haus vorbeigeführt werde. Sie habe versucht, bei Behörden Auskunft zu bekommen, warum es seit etwa zwei Wochen schlimmer geworden ist. "Aber ich komme nicht weiter."

Die WZ hat nachgeforscht und herausgefunden, was das Problem aktuell verschärft hat. Die Buschs wohnen an einer so genannten Umgehungsstrecke. "Die führt von Rheydt über Ohler, Waldhausen und Windberg nach Viersen-Helenbrunn", weiß der Autor des Buchs "Der Eiserne Rhein", Thomas Barthels. Vor zehn Jahren, als Familie Busch ihre Eigentumswohnung in Ohler erwarb, war die Trasse nicht in Betrieb.

"Vor etwa anderthalb Jahren ist sie dann aber hergerichtet und wieder in Betrieb genommen worden", sagt Verleger Barthels. Über die Strecke fahren nur Güterzüge. Und das immer dann, wenn viel Bahnverkehr im Gladbacher Hauptbahnhof ist und diese Züge umgeleitet werden müssen. "Der normale Zustand sind zehn bis 15 Züge pro Tag", sagt Barthels.

Die Takte sind nun seit zwei Wochen erhöht, weil ein Baustellen-Stück zwischen Aachen und Düren nur von ICE, Thalis und Regionalexpress-Zügen befahren werden darf. Die Güterzüge zwischen Köln und Aachen müssen einen Umweg nehmen. Das sind rund 60 Züge pro Tag.

Bis Freitag wird es ungewohnt ruhig werden. Durch das Unwetter von Dienstagabend ist eine Oberleitung defekt. Deshalb wird die Ohler-Route erst mal nicht genutzt. Im Herbst bekommen die Buschs Lärmschutzfenster. Die Bahn wird sich an den Kosten nicht beteiligen. Das muss sie laut Gesetzgeber nur bei neuen oder geänderten, aber nicht bei reaktivierten Trassen.

Die Buschs könnten nur wegziehen. "Ich würde es sofort machen. Aber wer kauft uns so eine Wohnung ab?", fragt sich Irmgard Busch.

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