Bernhard Clasen: Suche nach dem Verräter

Menschen: Bernhard Clasen, unter anderem bekannt durch sein Engagement im Flüchtlingsrat Gladbach, hat es immer nur geahnt. Jetzt weiß er sicher: Die Stasi hatte ihn im Visier.

Mönchengladbach. Es sollte eine Aufmerksamkeit erregende Aktion werden. 1985 - mitten auf dem Alexanderplatz in Berlin. Fünf Wessis in der DDR. Mitglieder der westdeutschen Friedensbewegung, die ein Plakat entrollen. Die Aufschrift: "Gegen die Verfolgung der Friedensbewegung in Ost und West."

Doch so schnell konnten Bernhard Clasen und seine Begleiter gar nicht gucken wie sie auch schon verhaftet waren. Alle fünf wurden von der Stasi verhört. Damals war Clasen 28 Jahre alt. Heute spricht er davon, "was für ein Glück es war, dass wir wieder frei gelassen wurden".

Und dieses Glück spürt er heute noch viel deutlicher. Denn seit einigen Tagen weiß er, die ganze, von langer Hand geplante Aktion war der Stasi schon vorher bekannt. Und Clasen weiß, dass er an den ostdeutschen Geheimdienst verraten wurde.

Nach zwei Jahren "ungeduldigen Wartens", wie er sagt, hat er einen Auszug aus dem Stasi-Archiv erhalten. 136 Seiten beschäftigen sich nur mit ihm und seinen Aktivitäten in den 80ern.

Heute ist der 53-Jährige in Mönchengladbach durch sein Engagement u.a. im Vorstand des Mönchengladbacher Flüchtlingsrats oder im Friedensforum bekannt.

In den 80er Jahren war Clasen in der Friedensbewegung aktiv. Anfang 1985 beteiligte er sich zum Beispiel an einer Blockade der US-Raketen in Mutlangen - und wurde zu 20 Tagessätzen verurteilt. Clasen ging - aus Protest - statt zu zahlen in Haft. Auch darüber war die Stasi bestens informiert, als sie eine Akte mit Namen "Bernhard Friedrich" anlegte, wie Clasen vor seiner Heirat 1986 hieß.

Dafür, dass sein "Ausflug" auf den Alexanderplatz glimpflich ausging, macht Clasen die Tatsache verantwortlich, dass Kameras liefen, als die Fünf verhaftet wurden. "Da ist das Risiko einfach geringer." So wurden die Westdeutschen nach ihrer Vernehmung einfach nur bis zum Grenzübergang gebracht und erhielten eine Einreisesperre.

Dass er weiß, dass er verraten wurde, die Stasi vorher alles wusste, lässt ihn aber "auch heute noch emotional reagieren". "Irgendjemand hat meine Sicherheit aufs Spiel gesetzt. Demjenigen möchte ich einmal in die Augen schauen und sagen: Wieso?"

Klar ist für ihn, dass irgendwo zwischen der damaligen Bundestagsfraktion der Grünen und der Pressestelle der Fraktion eine Kopie eines vertraulichen Brief gemacht worden sein muss, die dann in der Stasi-Akte landete. Dieses Schreiben hatte Clasen an Petra Kelly geschickt, Friedensaktivistin, Gründungsmitglied der Grünen, seit 1983 im Bundestag.

"Ich will herausfinden, wer den Umweg über den Kopierer gemacht hat", sagt Clasen, der auf seiner Suche schon die ersten Treffen mit Weggefährten organisiert hat. "Das Schlimmste ist - egal, ob man vielleicht politische Differenzen hatte -, sich das Vertrauen von jemandem zu erschleichen und ihn dann zu verraten. Man hat doch als Grüner Ideale gehabt." Er hofft, dass er vom Verantwortlichen eine ehrliche Antwort bekommt. "Vielleicht sieht er oder sie es nach 25Jahren ja nicht mehr so ganz emotional."

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