Max Eberl: "Bayern wird nicht dauernd Meister"

Sportdirektor Max Eberl über Gladbachs neue Pläne, eine Erfolgsfibel für Sportchefs, Miroslav Klose und sein Sternzeichen Jungfrau

Max Eberl im WZ-Interview.

Max Eberl im WZ-Interview.

Foto: Melanie Zanin

Herr Eberl, der „kicker“ feiert Sie als „besten Einkäufer der Liga“, die gute Entwicklung bei Borussia Mönchengladbach wird zu einem guten Teil Ihnen zugeschrieben. Wie sehen Sie sich selbst?

Max Eberl: Voller Demut. Ich habe angefangen in einer schwierigen Zeit, wir haben den Abstieg verhindert, hatten eine Extremsituation, in der es auch ins Persönliche gegangen ist. Die haben wir als Gesamtverein überstanden und daraus Motivation gezogen. Jetzt haben wir zweimal Europa erreicht und stehen in Tabellenregionen, in denen Gladbach lange nicht zu Hause war. Dazu sind Spieler eingeschlagen oder wurden für viel Geld weiterverkauft. Dann ist so eine Anschauung eine Auszeichnung. Aber ich weiß damit umzugehen. Das hier ist ein Gesamtwerk von vielen.

Haben Sie in Ihrem Vertrag bis 2017 eigentlich eine Ausstiegsklausel?

Eberl: Nein, habe ich nicht. Das widerspräche auch meiner Anschauung. Es hieß doch immer, Sportdirektoren können einen Trainer holen, beim zweiten wird es schon schwierig, beim dritten Trainer muss auch der Sportdirektor weg. Dann hast Du aber ein Problem. Es gibt dann keine einheitliche Linie. Wenn Sportdirektoren nur noch für die erste Mannschaft Spieler einkaufen, aber konzeptionelle Dinge wie Jugendarbeit, Scouting oder Öffentlichkeitsarbeit vernachlässigen, ist man auf dem falschen Weg. Als Verein ist man erfolgreich, wenn man nachhaltig seinen Weg geht. Dazu passt keine Ausstiegsklausel. Momentan ist das hier das Maß aller Dinge. Darüber hinaus möchte ich erfolgreich sein. Und dann wird die Zeit zeigen, was tatsächlich passiert.

Sie sind bekannt für eine frühe Planung. Zu der gehört auch, einen Nachfolger für Christoph Kramer zu finden. Ein Transfer von Bayern-Spieler Pierre Höjberg ist gescheitert. Warum?

Eberl: Höjbjerg hätte genau in unser Profil gepasst. Ein super Spieler. Aber die Bayern wollten ihn nur für ein halbes Jahr verleihen, das macht für uns natürlich gar keinen Sinn.

Warum sieht man das in Augsburg, wo er gelandet ist, anders?

Eberl: Weil der FC Augsburg jetzt in Tabellenregionen liegt, die für sie sehr interessant sind. Sie versuchen alles, die Mannschaft kurzfristig noch stärker zu machen, um vielleicht den großen Erfolg zu landen.

Und wer ersetzt Kramer?

Eberl: Wir haben mit Granit Xhaka einen inzwischen sehr stabilen Spieler mit linkem Fuß. Und wir fragen uns, wer als Achter gut zu ihm passt. Mannschaftsbildung ist kompliziert: Unsere Mannschaft ist körperlich eher klein. Also müssen wir auch auf die Größe achten, wenn demnächst Kramer noch wegfällt. Wir haben verschiedene Spieler im Kopf für seine Nachfolge, jetzt prüfen wir Machbarkeiten.

Wo sehen Sie noch Bedürfnisse im Kader?

Eberl: Wir schauen uns im Bereich der Innenverteidiger um, das hat mit unserer Altersstruktur dort zu tun. Und vielleicht fehlt uns jetzt mal einer, der mit Schnelligkeit aus dem Zentrum kommt. Momentan gehen wir viel über die Flügel. Das sind Gedankenspiele, die jetzt reifen.

Wird Gladbach in den nächsten fünf Jahren einen Titel holen?

Max Eberl: Ausschließen kann ich es nicht. Die Wahrscheinlichkeit, Meister zu werden, scheint mir sehr gering bis utopisch. Ein europäischer Titel ist auch weit weg. Ein Pokalsieg ist der wahrscheinlichste von allen Titeln. Oft werde ich ja als Realist abgestempelt, wenn ich wieder Erwartungen relativiere. Aber ein Pokalsieg ist vielleicht möglich, wenn es gut läuft. Und wenn Bayern und Dortmund vielleicht schon vorher aufeinander getroffen sind. Aber ich sage auch: Wir arbeiten alle dafür, irgendwann mal so eine Schale oder einen Pott in Händen zu halten.

Warum sind die Bayern so weit weg von den anderen Vereinen der Liga?

Eberl: Der deutsche Fußball hat eine fantastische Entwicklung genommen, Bayern war immer Zugpferd und kann bei allen Zahlungen von Spaniern und Engländern mithalten. Trotzdem: In der Bundesliga gibt es Wellenbewegungen, und es wird nicht so sein, dass Bayern dauernd Meister wird. Es arbeiten auch dort Menschen, irgendwann ist auch da mal ein Sättigungsgrad erreicht. Nach dem Triple unter Heynckes hat Guardiola als der vielleicht weltbeste Trainer jedem Spieler noch einmal Reiz und Motivation gegeben. Momentan haben sie eine ungeheure Stabilität. Trotzdem können andere Mannschaften da herankommen, sie zumindest immer wieder ärgern.

Unlängst haben Sie in einem Interview die Bayern für ihre neue Politik kritisiert, immer mehr jüngere Spieler anzuwerben. Ist das nicht legitim?

Eberl: Für mich war das keine Kritik an den Bayern. Ich habe die Berater, die jungen Spieler und Fußball-Deutschland alarmieren wollen. Unser Weg sieht so aus: Wir finden junge Spieler, entwickeln sie und verkaufen sie im besten Fall teuer weiter, um dann für uns als Verein die nächsten Schritte gehen zu können. Bayern holt sich dann als großer Verein diese Spieler. Wenn sie jetzt anfangen, die 18-Jährigen zu holen, die im Bayern-Kader die Plätze 30 bis 36 besetzen, dann wird es für Gladbach oder Hannover noch schwerer. Ein Marco Reus, der uns seinerzeit Platz vier gebracht hat, den gibt es dann hier nicht mehr. Der spielt dann schon bei den Bayern. Von zehn Spielern schaffen es vielleicht dann nur zwei, im anderen Fall aber vielleicht sechs, sieben oder acht. Das wäre auch für den deutschen Fußball besser.

Kann man das den jungen Akteuren verdenken?

Eberl: Wenn ich als 18-Jähriger Herrn Guardiola, Herrn Sammer und Herrn Rummenigge gegenüber sitze, und die sagen: Wir wollen dich haben! Dann würde jeder mit dem Fahrrad nach München fahren. Das ist legitim. Ich sage nur: Es gibt auch den anderen Weg, den Gladbacher Weg.

Wie umkämpft ist dieser Markt bei den jungen Spielen tatsächlich?

Eberl: Wenn in Duisburg-Wedau das U18-Sichtungsturnier stattfindet, stehen 80 Beraterfirmen, 18 Erstligisten, acht Zweitligisten, Holländer, Italiener und Engländer um die Anlage. Mit 18 wird verteilt. Das ist intensiv. Eltern und Spieler wissen manchmal selbst nicht mehr, was der richtige Weg ist. Deswegen sage ich: Entscheidet euch nicht gleich für das ganz Große, sondern überlegt, wie ihr dahin gelangt — nachhaltig. Vor fünf Jahren mussten wir in Gladbach sagen, was wir vorhaben. Jetzt können wir sagen, was wir gemacht haben. Und das werden wir weitermachen.

Gibt es eine Fibel für Erfolg im Fußball? Ist der Gladbacher Weg übertragbar?

Eberl: Ja, er ist übertragbar. Leider (lacht). Als Sportdirektor geht man mit seinem Team genau einen Weg. Ich habe das Gefühl, dass manche von A nach B, dann von B nach C und von C wieder nach A springen. Wie soll es nach vorne gehen, wenn ich dauernd nur nach links und rechts springe? Es gibt Clubs in der Bundesliga, denen merkt man an, dass sie eine Mannschaft von vier Sportdirektoren, sechs Trainern und zwei Präsidenten haben. Das ist schon augenscheinlich.

Und Ihr Weg?

Eberl: Früher kam der Trainer und sagte zum 18-jährigen Spieler: Jetzt trainierst du mal ein Jahr mit, und dann kannst du in den Freundschaftsspielen dabei sein. Heute kommen die 18-Jährigen, spielen — und helfen weiter. Wie Reus, wie ter Stegen, wie Herrmann, wie Jantschke. Das ist eine wertvolle Erfahrung für mich. Der Plan ist wichtig: Wie soll deine Mannschaft aussehen? Neben den jungen Spielern brauchst du vier bis sechs Korsettstangen. Die hat es in den vergangenen Jahren bei uns im Kader immer gegeben. Und entscheidend ist der Trainer, der diesen Plan mitträgt.

Beschreiben Sie uns Ihr Verhältnis zu Lucien Favre.

Eberl: Wir haben 2008 auf der Terrasse seines Hauses in der französischen Schweiz zusammengesessen. Ich war Jugenddirektor in Gladbach, er noch Trainer in Berlin. Da haben wir uns stressfrei drei Stunden lang über Fußball unterhalten. Ich bin weggefahren und habe mir gesagt: Wenn du irgendwann mal etwas zu sagen hast, dann musst du versuchen, ihn zu holen. Das passt. Und ich glaube, Lucien hat ähnlich gedacht. Als Michael Frontzeck bei uns gehen musste, habe ich mit Lucien sonntagabends telefoniert. Am Montag war er unser Trainer.

Sind Sie Freunde?

Eberl: Wir denken sehr ähnlich. Von einer Freundschaft würde ich nicht reden. Wohl aber von einer unglaublich konstruktiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit. Aber wir sind noch nicht zusammen in Urlaub gefahren (lacht).

Das Magazin „11 Freunde“ bezeichnete ihn unlängst als „Dramaqueen“.

Eberl: Er ist ein hervorragender Analytiker, der die eigene Mannschaft fantastisch auf den Gegner vorbereitet. Und er nutzt auch mal die Medien, um darauf hinzuweisen, wie kompliziert jedes Spiel in der Bundesliga ist. Es sind Kleinigkeiten, die entscheiden. Und er schafft es, diese Spiele mit seinen Details für uns zu gewinnen. Das ist weniger Drama als gewissenhafte Arbeit.

Derzeit interessieren die Fans vor allem die Personalien Thorgan Hazard und Max Kruse. der eine ist von Chelsea nur ausgeliehen, am anderen soll Borussia Dortmund interessiert sein.

Eberl: Hazard würden wir gerne fest verpflichten. Chelsea hat eine hohe Meinung von ihm, weiß aber auch, dass er jetzt noch kein Chelsea-Spieler ist. Es gibt finanzielle Bedingungen von Chelsea, aber es gibt keine Bedingung in Sachen Rückholaktion. Was Kruse betrifft: Max ist Nationalspieler und ist für andere interessant, das kennen wir. Aber es gibt keine Anfragen.

Auch Miroslav Klose ist auf dem Markt. Könnte er ein Thema für Sie sein als Pfeiler für die jungen Spieler?

Eberl: Ich würde es nicht komplett ausschließen. Ich war auch mal sehr interessiert an Miro, bevor er zu Lazio Rom ging. Tatsächlich ist das aber jetzt kein Gedanke.

Wieviel Geld steht Ihnen für neue Spieler zur Verfügung?

Eberl: Immer zu wenig (lacht). Aber wir haben unsere Möglichkeiten. Spieler wie Hazard sind kostspielig. Aber wenn wir eine gute Rolle spielen wollen, müssen wir uns mit dieser Kategorie auch befassen. Spieler, die Einstelligkeit in der Tabelle gewähren, kosten Geld.

Ist Gladbach in der Kategorie zweistellige Millionenbeträge angekommen?

Eberl: Nein. Das haben wir ein Mal gemacht, bei Luuk de Jong, als wir die Champions League vor der Brust hatten. Hohe zweistellige Millionenbeträge sind für Gladbach utopisch. Dass wir für einen Spieler vielleicht zehn Millionen Euro ausgeben könnten, das ist so. Aber dann hast du nur einen Spieler. Und wir wollen ein Team bauen.

Wann ist der Borussia-Park abbezahlt?

Eberl: Das Stadion ist für uns elementar wichtig. Es wird getilgt, aber es ist wie beim normalen Häuslebauer ein langer Prozess. Würden wir jetzt auf einen Schlag eine große Summe Geld erhalten, dann würde ich vermutlich dazu tendieren, viel in die Tilgung zu stecken. Denn dann hätten wir nachhaltig pro Jahr mehr Geld zur Verfügung, das wäre mir lieber als auf einen Schlag viel Geld in ein oder zwei Spieler zu investieren.

Herr Eberl, Sind Sie eher ein sparsamer Typ?

Eberl: Ich bin typische Jungfrau, mit allen Vor- und Nachteilen. Bodenständig, klare Planung, klare Struktur. Ich sitze nicht auf dem Geld, aber es muss zum richtigen Zeitpunkt ausgegeben werden.

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