Trainer Schweizer Gründlichkeit und Herzblut

Cheftrainer Lucien Favre ist nach seiner besten Saison in Deutschland bereit für neue Taten.

Trainer: Schweizer Gründlichkeit und Herzblut
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Mönchengladbach. Borussia Mönchengladbach ist wieder wer. Eine der beliebtesten Mannschaften in der Fußball-Bundesliga und eine der besten Adressen war der Klub schon immer. Neuerdings zeitigt der Stil und die Spielweise der Fohlen Elf auch wieder Erfolge. Und der Erfolg ist mit Lucien Favre gekommen, der im Februar 2011 das Kommando im Borussia-Park übernahm, das Steuer herumriss und den Verein, der bereits dem Abstieg geweiht war, in der Bundesliga hielt. Herausgekommen ist mittlerweile ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann. Peu à peu und ohne großes Aufheben führte der Fußball-Lehrer aus der Schweiz — schweren Aderlässen zum Trotz — seine Mannschaft nach oben. Die Krönung nach viereinhalb Jahren Schweizer Gründlichkeit, harter Arbeit, Kalkül, Intuition und Herzblut: Favre schafft mit dem VfL Rang drei und das siebtbeste Bilanz in 47 Jahren Bundesliga-Fußball in Mönchengladbach.

„Dritter geworden zu sein ist wie ein Titelgewinn“, sagte Sportdirektor Max Eberl unmittelbar nach dem entscheidenden Sieg in Bremen am 16. Mai dieser Zeitung. Und Favre machte den Traum möglich. Es war eine der beeindruckendsten Trainer-Leistungen in dieser Saison, mit einer Mannschaft der oberen Mittelklasse sensationelle 66 Punkte einzuheimsen und in die Champions-League einzuziehen. Bei 19 Siegen und nur sechs Niederlagen. Aber auch das Konzept von Max Eberl, sinnvolle Investitionen zu tätigen und den Bogen nicht zu überspannen, ist in allen Punkten aufgegangen.

Favres Spieler wissen die Arbeit ihres Trainers zu schätzen. Er erkennt ihre Potenziale und fördert sie entsprechend. Für Favre selbstverständlich: „Dafür bin ich da, und wenn Spieler besser werden, spielt die Mannschaft auch besseren Fußball.“ Einer, der in der vergangenen Spielzeit einen großen Sprung nach vorne gemacht hat, ist Patrick Herrmann. Obwohl erst 24 Jahre alt, ist der Offensivspieler der Gladbacher Borussia einer der Eckpfeiler im Team des Cheftrainers. Schnell, dribbelstark, inzwischen auch torgefährlicher und im Spielaufbau klarer geworden, könnte Herrmann in der kommenden Saison noch mehr auf sich aufmerksam machen. Zumal er ein großes Ziel vor Augen hat: Die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich 2016. Dabei kommt die neue Spielzeit mit dem Einzug in die Champions-League wie gerufen. Gibt es eine bessere Bühne?

Herrmann war in der letzten Spielzeit einer der großen Gewinner - neben Granit Xhaka, dem Heißsporn im Mittelfeld der Borussia, aber auch ruhenden Pol. „Seine Bewegungen sind viel besser geworden“, sagt sein Trainer, „aber Xhaka hat immer noch riesiges Steigerungspotenzial.“ Favre, früher als Spieler ein „Zehner“ von hohen Graden, hat ein Faible für Fußballer, bei denen fast jeder Pass sitzt, die das Spiel lesen können. Wie Xhaka. Und der 22-Jährige beherrscht die gesamte Klaviatur, ist ein Typ wie weiland Stefan Effenberg und an exquisiten Tagen erinnert er gar an bisschen an den ehemaligen „King vom Bökelberg“, Günter Netzer.

Dadurch, dass die Borussen auf ihrem kontinuierlichen Weg nach oben immer wieder personelle Einbußen erleiden mussten, wird das bisher Erreichte erst recht aufgewertet: Denn immerhin verloren die Gladbacher in der Favre’schen Ära etliche Topspieler, die schlichtweg nicht zu halten waren: Dante, Marco Reus, Roman Neustädter, Marc-André ter Stegen, Weltmeister Christoph Kramer oder Nationalspieler Max Kruse. In diesem Punkt bleiben die Gladbacher „anfällig“. Ihr finanzieller Spielraum ist immer noch begrenzt. „Von den großen Klubs der Liga sind wir noch ein Stück entfernt“, sagt Max Eberl realistisch.

Deshalb spricht der Sportdirektor zurecht von einem einstelligen Tabellenplatz, wenn es um die Ziele für die neue Saison geht, die morgen Abend beim Deutschen Meister von 2011 und 2012, Borussia Dortmund, gleich mit einem „echten Knaller“ eröffnet wird. „Und es darf kein wichtiger Spieler wegbrechen“, fährt der Sportdirektor fort. Gemeint sind wohl die entscheidenden Figuren auf Favres Schachbrett: Torwart Yann Sommer und Abwehrchef Martin Stranzl, Tony Jantschke, Granit Xhaka, Patrick Herrmann oder Raffael. Lucien Favre und sein Team sind gewappnet. „Ich freue mich, dass es wieder losgeht“, sagt der Coach. Von Müdigkeit keine Spur, Favre wirkt kämpferisch wie eh und je. Im ersten Heimspiel gegen Mainz 05 geht der Romand aus St. Barthelemy in sein 150. Bundesligaspiel.

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