Wolfgang Kleff: „Wir haben sie an die Wand gespielt“

Wolfgang Kleff hat die goldenen Zeiten von Borussia Mönchengladbach miterlebt und erinnert sich im Interview.

Mönchengladbach. Er war der Torwart der legendären „Fohlen-Elf“ in den 1970er Jahren. Unter Trainer Hennes Weisweiler stieg Wolfgang „Otto“ Kleff zum Nationalspieler auf und feierte in Mönchengladbach zahlreiche Erfolge. Im Gespräch mit unserer Zeitung erinnert sich der 65-Jährige mit viel Humor an seine Karriere.

Herr Kleff, welches Spiel ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Kleff:
Eins von den 433? Es waren fast alle toll. Wir hatten Erfolg, da kann man nichts zu sagen. Es waren so viele Spiele: Pokalendspiel gegen Köln oder die Deutschen Meisterschaften. Die schönsten Momente waren aber die dritten Halbzeiten. Abends rauszugehen gehörte einfach dazu. Es waren keine Kameras dabei, es war einfach schön, den Erfolg zu genießen und sich feiern zu lassen. Man konnte sowieso nicht schlafen, weil man aufgedreht war.

An welche Niederlage denken Sie noch heute?
Kleff:
Das war gegen Inter Mailand. Das ist Geschichte. Dieses Spiel, das wegen des Büchsenwurfs am Bökelberg annulliert wurde. Mönchengladbach wurde von Inter Mailand gar nicht wahrgenommen. Die haben uns unterschätzt — und wir haben sie an die Wand gespielt. Das 7:1 war für die eine Blamage, die Annullierung ihre einzige Chance, sich in das Spiel zurückzumelden. So ist es auch gekommen. Wir hatten nichts von dem Sieg.

Wie schwer war es für Sie, nach all den Jahren aufzuhören?
Kleff:
Man sieht sich im Spiegel an und denkt: Junge, du sahst früher schon gut aus, aber jetzt wird es langsam eng. Man wächst aber in die Situation rein. Im Fußballrentenalter sollte man die Augen nicht verschließen und denken, man sei ein junger Spund. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Wer kann das schon?

Sie haben aber auch einen richtigen Beruf erlernt. Das war in Ihrer Generation noch so üblich.
Kleff:
Ich bin Industriekaufmann und habe auch einen Abschluss. Ich habe aber sofort gemerkt, dass ich kein Büromensch bin. Ich habe mir immer etwas unter den Arm geklemmt, bin in die Firma gelaufen und habe so getan, als ob ich etwas Wichtiges zu erledigen hätte. Ich konnte nicht fünf Stunden da sitzen. Teilweise habe ich auch die Lohnbuchhaltung gemacht, das war eine einfache Sache. Das habe ich aber schnell aufgegeben. Das war besser für die Firma.

Woran lag es, dass Ihre Mannschaft damals viel länger zusammengespielt hat, als es heute der Fall ist?
Kleff:
Die meisten Spieler kamen damals aus der Region. Das sorgte für Zusammenhalt.

Hat sich der Fußball denn stark verändert?
Kleff.
Es sind Riesenunterschiede. Damals konnte man als Fußballer das Spiel besser verstehen. Heute versteht man es nicht mehr.

Woran liegt das?
Kleff:
Das Spiel ist schneller geworden. Wenn man Barcelona sieht, da wird der Ball kaum noch gestoppt. Früher hatten wir drei Stürmer, drei Mittelfeldspieler, drei Abwehrspieler, einen Libero, und dahinter stand ich. Heute gibt es fünf Mittelfeldspieler. Im Mittelfeld ist einfach nicht mehr so viel Platz.

Auch die Medienlandschaft hat sich verändert. Hatten es die Spieler früher einfacher?
Kleff:
Wir hatten Europacupspiele, da hat Hennes Weisweiler danach im Schottenrock auf dem Tisch getanzt. Das stand alles nicht in der Presse, da gab es einen Ehrenkodex. Die Journalisten sind mit uns im Bus gefahren und haben mit uns gefeiert. Man wusste, das ist privat, da kommt nichts raus. Die Schubladen blieben zu.

In Mönchengladbach war damals noch heile Welt — im Gegensatz zu München.
Kleff:
In München fraßen sich die Journalisten gegenseitig auf. Das kam bei uns später auch. Mittlerweile sind es Massen. Früher war es eher übersichtlich.

Hat es früher mit Typen wie Sepp Maier mehr Spaß gemacht?
Kleff:
Nein. Am meisten Spaß hat es mit meinen Frauen und im eigenen Verein gemacht. Man traf sich auch privat mit den Spielerfrauen. Früher konnte man noch zusammen in die Altstadt gehen. Wir verstanden uns gut — privat und auf dem Feld. Zu den Münchnern hatte man aber immer so ein Konkurrenzverhältnis.

Bereuen Sie es, dass Sie nie die deutsche Nummer 1 waren?
Kleff:
Ich habe immer akzeptiert, dass Sepp Maier Nationaltorwart war. Sollte ich den ermorden? Ich hatte im Verein so viel Erfolg und war damit zufrieden. Ich wollte mich nicht auffressen, so wie dass der Kahn später gemacht hat.

Und wie geht es Wolfgang Kleff heute im Rentenalter?
Kleff:
Ich habe meine Zipperlein, bin aber durch den Sport jung und beweglich geblieben. Ich genieße das, was ist. Ich bin häufig im Stadion und arbeite auch noch mit Gladbach zusammen. Ich habe immer noch meine soziale Ader und trainiere Kinder. Es macht mir Spaß und die Kinder akzeptieren mich auch als Kind. Wenn ich ein Lachen bekomme, macht mir das Spaß. Selber noch Fußball zu spielen, wäre aber zu leichtsinnig.

Was sagen Sie denn zum derzeitigen Erfolg der Borussia?
Kleff:
Unerwartet schön. Da liegt eigentlich alles drin. Man lebt in der Hoffnung, dass es so weitergeht.

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