Für Irina öffnete er die Augen

Neben dem Lernen fürs Abitur sammelt Irina Goltsova Spenden für Daniil Safin. Der junge Russe zeigte Zivilcourage und wurde schwer verletzt.

Mönchengladbach. Irina Goltsova ist im Abistress. Die Klausur im Leistungskurs Biologie hat sie jetzt hinter sich. Zeit zum Durchatmen bis zur nächsten Prüfung hat die 20-jährige Schülerin der Gesamtschule Volksgarten allerdings nicht.

Sie muss noch Flyer drucken lassen, einen Ort für Konzerte finden und Plakate aufhängen. Irina Goltsova organisiert eine Spendenaktion für Daniil Safin. Der junge Russe liegt im Rehabilitationszentrum Godeshöhe in Bonn im Wachkoma.

Vor rund einem halben Jahr hatte Daniil Safin in seiner Heimatstadt Beresniki drei Frauen vor einer Vergewaltigung gerettet. Sein Einsatz kostete ihn fast das Leben. Die fünf Täter traten dem 24-Jährigen mehrmals gegen den Kopf — auch, als er bereits bewusstlos am Boden lag. Daniil erlitt zahlreiche Frakturen an der Schädelbasis, sein Gehirn wurde verletzt.

Alle Versuche seiner Familie, in Russland ein Rehazentrum zu finden, scheiterten. Erst in Deutschland fand sie Hilfe: Die Klinik Godeshöhe nahm ihn im Februar auf.

Irina Goltsova, die vor sieben Jahren mit ihrer Familie aus Kasachstan nach Deutschland kam, erfuhr über russische Medien von dem Fall. „Ich war sofort sehr betroffen und wollte helfen“, sagt die Abiturientin. Sie nahm über das Internet Kontakt zu Familie Safin auf.

Die Eltern waren verzweifelt: Mehr als 800 Euro kostet die Behandlung ihres Sohnes pro Tag. Sie müssen die Kosten selbst tragen, Daniil ist nicht versichert. In Russland nicht außergewöhnlich: „Eine Versicherung wie man sie in Deutschland kennt, existiert dort nicht“, erklärt Irina.

Auch auf staatliche Hilfe kann die Familie nicht hoffen — es gibt kein Opferentschädigungsgesetz. Der Vater hat mittlerweile seine Autowerkstatt verkauft, als nächstes ist die Wohnung an der Reihe. Aber das Geld reicht nicht.

„Daniil ist auf Spenden angewiesen“, sagt Goltsova mit kräftiger Stimme. Wenn es um Daniil geht, vergisst die hübsche junge Frau ihre Schüchternheit. Sie hat noch nie mit dem 24-Jährigen gesprochen, ihn nie in seinem alten Leben kennengelernt — Daniil spielte gerne Tennis, hatte gerade sein Betriebswirtschaftsstudium abgeschlossen. Dennoch opfert sie ihre Freizeit für die Suche nach Spenden.

Erste Erfolge sind sichtbar. So gehen rund 2000 Euro aus dem Erlös des Sponsorenlaufs ihrer Gesamtschule an Daniil. Die neuste Idee: Benefizkonzerte — in Russland und Deutschland. Am 1. Juni tritt ein russischer Sänger im Rennbahn-Restaurant in Neuss auf. „In Mönchengladbach suche ich noch.“

Die Konzerte will sie filmen und Daniil zeigen. Irina ist sich sicher, dass er die Außenwelt wahrnehmen kann. „Beim letzten Besuch haben seine Mutter und ich ihn gebeten, die Augen zu öffnen. Er hat es getan.“ Sie lächelt kurz.

Ein Jahr muss Daniil mindestens noch in der Rehaklinik bleiben — so die Prognose der Ärzte. Ob er jemals wieder aufwacht? Irina zuckt mit den Schultern. „Seine Familie und ich hoffen es.“ Und Irina will nach dem Abitur Medizin studieren. „Daniil hat mich auf die Idee gebracht.“

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