Gladbach: Die Armut wächst

Neue Zahlen belegen, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft.

Mönchengladbach. Die Schere zwischen Arm und Reich wächst — und Gladbach ist dabei eine der Städte, die besonders betroffen sind. Das zeigt ein Vergleich zwischen den NRW-Regionen, die das Landes-Sozialministerium jetzt angestellt hat. „Ein wichtiger Armutsfaktor ist die Beschäftigungsquote, also der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter“, betont NRW-Sozialminister Guntram Schneider (SPD).

Diese Quote liegt landesweit bei 50,8 Prozent. In den besten Fällen in NRW liegt sie bei über 57 Prozent wie in Remscheid und Leverkusen. Mönchengladbach gehört zu den Verlierern mit 48,8 Prozent. Und auch bei anderen Armutsfaktoren steht die Stadt im Vergleich schlechter da, etwa bei der Zahl der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss, der Quote der Menschen, die auf Hartz IV und ähnliche Unterstützung angewiesen sind, und bei dem Einkommen, über das die Bürger verfügen können (siehe Kasten).

Eine aktuelle Studie des Pestel-Instituts zeigt, dass 37 640 Haushalte in Gladbach Anspruch auf eine Sozialwohnung haben. Das bedeutet, pro tausend Einwohnern werden 146 solcher Wohnungen gebraucht. Das Problem laut Pestel-Institut und der Wohnungsbau-Initiative, zu der u.a. die IG Bau gehört: „In den vergangenen Jahren sind viele Sozialwohnungen vom Markt verschwunden.“ Hier klaffe eine enorme Lücke.

Auf der einen gibt es also die Menschen, die vom Leben nicht verwöhnt werden. Auf der anderen Seite hat beispielsweise Karl Sasserath, Leiter des Arbeitslosenzentrums, „in den vergangenen 30 Jahren beobachtet, wie das Bruttosozialprodukt in Deutschland ständig gewachsen ist“. Wer sich mit der Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland beschäftige, könne „die deutlich ungleiche Verteilung des wachsenden gesellschaftlichen Reichtums nicht übersehen“.

Menschen, deren Einkommen ihr Existenzminimum nicht decke oder die ohne bezahlte Lohnarbeit leben müssten, blieben schon bei den normalen Möglichkeiten einer gesellschaftlicher Teilhabe weitgehend ausgeschlossen. Sasserath: „Eine Familie, die von Hartz IV leben muss, fährt mit den Kindern niemals ins Phantasialand und kann auch kein Spiel der Borussia besuchen. Die Erwachsenen trifft man nicht im Festzelt beim Schützenverein und auch nicht bei der Karnevalsveranstaltung. Sie können in der Regel weder dafür Eintritt noch Verzehr bezahlen.“

Armut und Reichtum spalten, wie Sasserath es formuliert, die Menschen „zunehmend in voneinander völlig verschiedene Lebens- und Erfahrungsbereiche: in die, die dazu gehören, und die, die draußen bleiben müssen“.

Für Heidrun Eßer ist dabei vor allem die Situation der nachkommenden Generation das Problem. Die Geschäftsführerin des Kinderschutzbunds sieht einen Teufelskreis, den man „mit allen Anstrengungen unterbrechen muss“. Damit Kinder aus finanziell benachteiligten Familien nicht zu den nächsten Eltern mit solchen Problemen werden. „Ich sehe da die Verwantwortung der Väter und Mütter, aber auch der Gesellschaft, das Recht der Kinder auf Förderung zu erfüllen.“

Es gehe um Sportaktivitäten, Musik oder Kunst, von der manche Kinder ausgeschlossen würden. Wenn die Erziehungsberechtigten etwas nicht alleine stemmen könnten, dann müsse es möglich sein, dass sie Hilfe finden. „Aber sie müssen natürlich auch suchen, zum Beispiel bei Ferienangeboten, können sie Unterstützung beantragen. Es wird aber nicht immer alles abgerufen.“

Auch die Politik sei gefragt, „gleiche Chancen für alle“ zu gewährleisten“. „Dabei ist es aber ganz wichtig, dass niemand als Almosen-Empfänger dargestellt wird.“ Es könnte sonst sein, dass Eltern vor Hilfsangeboten zurückschreckten.

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