Projungs - Das Ziel ist: Verantwortung lernen

Der Ruf nach Erziehungscamps wird lauter. Doch schon bei anderer Betreuung problematischer Jugendlicher will keiner die „neuen Nachbarn“. Ein Gladbacher Projekt suchte lange.

<strong>Mönchengladbach. Für manche Teenager ist es die letzte Chance, sonst geht es ins Jugendgefängnis. Andere der 14- bis 18-Jährigen im Projekt "Pro Jungs" sind einfach nur massive Schulschwänzer oder auf sonstige Weise verhaltensauffällig. Sie können aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr zu Hause wohnen. Wie der Junge, der mit seinem Stiefvater nicht klar kam, ein halbes Jahr auf der Straße lebte - sich aber in der Zeit sogar ein Praktikum suchte. Oder der 15-jährige Gladbacher, der mit kleinen Diebstählen und Körperverletzungen auffiel und von der Schule flog.

Jahrelang hat der Trägerverein Azeh einen Bauernhof in Gladbach gesucht, um solche Teenager intensiv betreuen zu können. Doch als einer gefunden war, wurde der Verein mit einstweiligen Verfügungen der Nachbarn überzogen. Die Suche dauert lange. Doch seit Juni hat der Verein eine "Unterkunft" gefunden - wenn auch weiter weg als erhofft.

Bergheim-Glesch, ein Dorf an der Erft zwischen Bergheim und Bedburg. Mittendrin ein ehemaliges, denkmalgeschütztes Rittergut. Es ist 6Uhr morgens. Vier Ziegen, eine Ente, ein paar Gänse, acht Jungen und ihre Betreuer werden gerade wach. Für diejenigen, die heute Tierdienst haben, heißt es vor dem Waschen, Kämmen, Anziehen erst einmal Füttern.

Verantwortung zu lernen, für sich selbst, für andere, ist der Hauptgrund für den Tagesordnungspunkt. "Die Jungs haben nie gelernt, für etwas Verantwortung zu haben. Wenn jemand die Tiere vergisst, dann melden die sich schon von selbst mit einem Riesenspektakel", erzählt Christoph Engler, der das Projekt des Mönchengladbacher Vereins Azeh leitet.

"Wir machen viel in der Gruppe, damit sie teamfähig werden", so Engler. "Einordnen und unterordnen lernen" ist ein Ziel. Den Willen brechen, wie es in den deutschlandweit heiß diskutierten US-Boot-Camps der Fall ist, hält hier keiner für sinnvoll.

In der Intensivgruppe setzt man auf ein "Bezugspersonensystem". Jeder aus der Gruppe hat einen Betreuer, den er, betont Engler, "auch nachts anrufen kann". Für alle Jungen gelte nicht nur, dass sie bisher "wenig Struktur, materielle Versorgung, Probleme in der Schule hatten", sondern auch "keine Vertrauenspersonen, keine Freunde, eine Unfähigkeit, Beziehungen einzugehen".

Was Aggressionen in der Gruppe angehe, habe man wenig Probleme. "Wir arbeiten konfrontativ, halten den Jungen ständig den Spiegel vor", so Engler. Sport ist Pflicht. Die Aktivitäten sollen helfen, Aggressionen abzubauen. Bei einer der "Projektarbeiten" für die Nachmittage bereitet sich Engler mit den Jungen auf einen Marathon vor, den er mit ihnen in diesem Jahr laufen will.

Ziele zu haben, sei für die Teilnehmer mit das Wichtigste. Das kann schon sein, regelmäßig zur Schule zu gehen, eine schulische und berufliche Perspektive zu finden. Sie sollen die Ziele selbst formulieren, hinterfragen, neu stecken.

Aber Ziele hin oder her. Manchmal geht nichts mehr. Auch das mussten die Betreuer schon entscheiden, einen Jugendlichen verabschieden, der sie mit Waffen bedrohte. "Was aus ihm wird, weiß man nicht, aber ich glaube, er wird eine kriminelle Karriere machen", bedauert Engler.

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