Rheydter Seriendieb wurde bereits 91 Mal angezeigt

Der 31-Jährige ist weiterhin auf freiem Fuß. Einen Hauptverhandlungstermin gibt es noch nicht.

Es gibt kaum ein Geschäft in der Rheydter Innenstadt, in dem der Mann kein Hausverbot hat. Denn beinahe überall hat der 31-Jährige schon gestohlen: Bekleidung, Bettwäsche, Pralinen, Socken, Seifenpulver, Badematten... Der Wert seiner Beute beträgt zwischen zehn und 1000 Euro pro Diebstahl. Und von den Taten gibt es viele. Mittlerweile haben sich 91 Anzeigen gegen ihn angehäuft, die meisten wegen Ladendiebstahls, viele aber auch wegen Diebstahls aus Fahrzeugen und wegen Hausfriedensbruchs. Die Zahl spiegelt jedoch nur die Diebstähle wider, die bekanntgeworden sind. Die Rheydter Geschäftsleute gehen davon aus, dass der Mann noch viel häufiger unbemerkt fremde Dinge an sich nahm. Mancher Händler stellt schon gar keine Anzeige mehr, weil es eh nichts bringe.

Roland Beeten, Inhaber des gleichnamigen Textilhauses, ist fassungslos, dass der Seriendieb von Rheydt immer noch nicht hinter Gittern oder in einer geschlossenen Einrichtung ist. Alle Beschwerden bei den Justizbehörden fruchteten nicht. Beeten, Inhaber des gleichnamigen Bekleidungsgeschäftes, sah sich im August sogar gezwungen, Strafanzeige gegen die Staatsanwaltschaft zu stellen. Zu diesem Zeitpunkt gab es 64 Anzeigen gegen den 31-Jährigen — und die waren in einem Zeitraum von nur 19 Monaten gestellt worden. Der Seriendieb von Rheydt wurde sogar schon Thema im Landtag. Der CDU-Abgeordnete Jens Kameith aus Siegen, selbst Jurist, stellte eine Kleine Anfrage. Er wollte wissen: „Warum toleriert die Landesregierung, dass polizeibekannte Seriendiebe, gegen die innerhalb von 19 Monaten 55 Strafanzeigen gestellt wurden, in Nordrhein-Westfalen auf freiem Fuß sind?“ Und: „Inwieweit hält die Landesregierung das bestehende strafrechtliche bzw. strafprozessuale Instrumentarium für ausreichend, damit Polizei und Staatsanwaltschaft effektiv gegen entsprechende Seriendiebe vorgehen können?“

Die Antwort kam jetzt. Da heißt es unter anderem: „Ein gesetzliches Defizit lässt sich aus dem der Kleinen Anfrage zugrundeliegenden Sachverhalt nicht ableiten und ist auch sonst nicht zu erkennen. Das vorhandene Instrumentarium wahrt unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Balance zwischen wirksamer Strafverfolgung und den grundrechtlich geschützten Freiheitsrechten der Beschuldigten bzw. Angeklagten, für die zudem bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens die Unschuldsvermutung gilt.“

In Kurzform: Das Recht auf Freiheit ist ein hohes Gut, und Diebstähle mit einer Beute im Wert von unter 1000 Euro sind nicht so schwerwiegend, dass man jemanden wegen Wiederholungsgefahr wegsperren kann.

Der Seriendieb erbeutete bei den einzelnen Taten zwar nie Warenwerte über 1000 Euro, aber alleine bis August wurden 60 Fälle mit einem Wert von weit über 7000 Euro bekannt. Wie beschrieben sind das nur die Fälle, in denen der Mann erwischt wurde. Die Rheydter Geschäftsleute wollen nicht locker lassen. Demnächst wird der „Seriendieb mit Freifahrtschein“, so Beeten, beim Einzelhandelsverband Deutschland thematisiert. Angeklagt ist der 31-Jährige übrigens schon lange. Ein Hauptverhandlungstermin sei derzeit noch nicht bestimmt. Das Gericht erwäge vielmehr, ein drittes Sachverständigengutachten zur Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit einzuholen, heißt es in der Antwort zur Kleinen Anfrage im Landtag. Der Seriendieb kann also erst mal weitermachen. Beeten: „Letzte Woche hat ein Bekannter von mir den Mann gesehen, als er zu C & A ging. Auf der anderen Straßenseite standen zwei Polizisten. Mein Bekannter warnte die Beamten: ,In dem Geschäft geschieht gleich ein Diebstahl.’ Sie entgegneten: ,Woher wollen Sie das wissen?’ Da kam der Seriendieb auch schon mit einem Damenmantel aus C & A heraus.“

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