André Hahn: „Ich habe eine krasse Zeit durchlebt“

André Hahn hat vor vier Jahren noch von monatlich 200 Euro und Tiefkühlpizza gelebt. Jetzt ist er in Gladbach ein Großverdiener — und will dort „Wurzeln schlagen“.

André Hahn: „Ich habe eine krasse Zeit durchlebt“
Foto: dpa

Mönchengladbach. André Hahn (23) hat sich beim FC Augsburg nach einem schwierigen Start als Fußball-Profi zum Nationalspieler entwickelt. Nun versucht er sein Glück bei Borussia Mönchengladbach — und hofft auf weitere Einsätze in der DFB-Elf.

Herr Hahn, darf man Sie ein Deich-Kind nennen?

André Hahn: Auf jeden Fall! Ich bin in Otterndorf bei Cuxhaven aufgewachsen. Mein Elternhaus liegt direkt an der See. Bis zum Deich sind es 50 Meter.

Schon mal Krabben gepult?

Hahn: Ja, natürlich. Das haben wir früher ganz oft gemacht. Wir haben einen Eimer Krabben gekauft, uns zusammengesetzt, gepult — und die leckeren Dinger genossen.

Zum Genießen ist Ihre Karriere als Fußballer zunächst nicht verlaufen. Stimmt es, dass sie noch 2010 von 200 Euro im Monat gelebt und sich mit Tiefkühlpizza über Wasser gehalten haben?

Hahn: Das stimmt. Das war während meiner Zeit in Oberneuland. Das Gehalt war nicht sehr hoch. Es wurde unregelmäßig bezahlt, dazu wiederholt nicht das, was vereinbart gewesen war. Das war eine sehr schwierige Zeit. Ich habe in einer Wohngemeinschaft gelebt und habe mir oft günstige Fertigpizza gekauft — drei Stück in einer Verpackung. Damit kam ich drei Tage aus. Dazu günstiges Wasser. Später habe ich dann gekündigt.

Sind Sie zu diesem Zeitpunkt ganz unten gewesen?

Hahn: Was den Fußball betrifft, auf jeden Fall. Hätte ich meinen Vater nicht gehabt, hätte ich dieses halbe Jahr nicht überleben können. Die anderen Jungs haben teilweise noch bis in die Nacht als Pizzaboten gearbeitet.

Das waren Erfahrungen, die einen jungen Menschen sicherlich nachhaltig prägen.

Hahn: Ich glaube, dass ich eine ganz andere Sicht auf die Bundesliga habe. Und auf das, was ich jetzt erreicht habe. Weil ich die andere Seite schon kenne. Ich habe eine krasse Zeit durchlebt, bin aber auch froh darüber. Dadurch sieht man einiges anders.

Wie wichtig ist da die Familie gewesen?

Hahn: Sehr wichtig. Ich bin ihr zu großem Dank verpflichtet. Mein Vater ist bis heute mein Berater. Wir haben mittlerweile auch eine Agentur im Boot. Aber mit meinem Vater habe ich alles durchgezogen. Und wir haben viele schwarze Schafe kennengelernt.

Wie meinen Sie das?

Hahn: Wir haben selten jemandem vertrauen können. Die Leute, die mir mal gesagt haben, du wirst nie höher als dritte Liga spielen, kamen später alle angelaufen. Berater ist in diesem Geschäft, gerade für jüngere Spieler, ein schwieriges Thema.

Mit dem Vertrag bei Borussia steigen Sie zum Großverdiener auf. Kommt Ihnen das immer noch wie ein Traum vor?

Hahn: Man denkt immer wieder daran. Ich hoffe, dass mein Weg vielen Mut macht, an sich zu glauben und weiter hart an sich zu arbeiten.

Anfang 2013 holte Augsburg Sie aus Offenbach. Dann begann Ihr kometenhafter Aufstieg. Was ist genau passiert?

Hahn: Ich habe in Augsburg unglaublich viel Vertrauen bekommen. Ich habe dreimal dort trainiert und gleich beim Spiel in Düsseldorf mein Bundesliga-Debüt gefeiert. Da habe ich gemerkt: Die halten etwas von mir — und dann ging es stetig bergauf. Sie haben mich unterstützt, mir geholfen, mich gefördert.

Nun die Station Gladbach. Warum haben Sie sich für die Borussia entschieden?

Hahn: Ich will nun den nächsten Schritt gehen. Manager Max Eberl hat mich in den Gesprächen sehr beeindruckt. Ich sehe Borussia als den Verein, in dem ich mich weiterentwickeln kann. Ich würde mich freuen, wenn ich für die nächsten Jahre hier bleiben und Wurzeln schlagen kann.

Sie sind kurz vor der WM bis in die Nationalmannschaft durchgestartet. Wollen Sie da wieder hin?

Hahn: Selbstverständlich. Der Verein steht aber im Vordergrund. Wenn ich meine Leistung bringe, hoffe ich, dass ich wieder meine Chance bekomme. Für die Nationalmannschaft zu spielen, ist das Schönste, was es gibt.

Wo soll es denn hingehen mit Gladbach?

Hahn: Borussia hat aus meiner Sicht eine sehr starke Mannschaft. Ziel sollte es sein, sich immer noch weiter zu verbessern. Es wäre natürlich schön, wenn das dann auch in der Tabelle klappen würde.

Was bedeutet Ihnen das Wort Glück?

Hahn: Eine Menge. Ich hatte neben meinem Können auch Glück. Ich bin öfters zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort gewesen.

Wenn Sie es nicht zum Bundesliga-Star geschafft hätten — was wäre aus Ihnen geworden?

Hahn: Ich wäre im Versicherungsbüro meines Vaters gelandet. Wir hatten schon darüber gesprochen, dass ich bei ihm die Ausbildung zum Versicherungskaufmann mache.

Verraten Sie uns abschließend: Ist Lucien Favre wirklich so eine Art Fußballprofessor?

Hahn: Das ist in der Tat bemerkenswert und sehr hilfreich, an wie vielen Details er arbeitet. Man kann enorm viel lernen bei ihm. Er hat in den vergangenen vier Wochen schon mehr mit mir geredet als andere Trainer in einem ganzen Jahr.

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