Unfallexperten schulen Anwälte und Richter

Das Erleben von Zusammenstößen soll Entscheidungsfindung der Juristen verbessern.

Mönchengladbach. Fast im Schritttempo steuert Claus Döbber den Renault auf einen VW Polo zu. Ganz leicht berühren sich die beiden Fahrzeuge. Die Folge sind ein paar Schrammen und eine kleine Beule. Dieses Manöver führt aber nicht auf einem öffentlichen Parkplatz oder im Straßenverkehr zu Ärger mit einem anderen Fahrer. Es ist eine Demonstration auf dem Gelände der Dekra an der Jakobshöhe in Mönchengladbach.

Dort trafen sich 30 Richter, Staatsanwälte und Anwälte aus Krefeld und Mönchengladbach zu einer Fachtagung mit anschließendem Crash-Kurs. Claus Döbber ist Leiter der Dekra-Niederlassung Mönchengladbach und befasst sich seit 30 Jahren mit der Rekonstruktion von Verkehrsunfällen. „Das praktische Erleben eines kleinen Unfalles kann die Juristen bei ihrer Entscheidungsfindung in der Praxis unterstützen“, so der Unfallexperte.

Einige Teilnehmer haben sich inzwischen selbst hinter das Lenkrad gesetzt, um kleinere Unfälle, wie sie beim Parken vorkommen, zu produzieren. Um die Wahrnehmung zu verbessern, schließen die Mitfahrer während der kurzen Fahrt die Augen. Ihre anschließenden Kommentare: „Ich habe nichts gemerkt“ oder „Es klapperte ein bisschen“.

Ein Dekra-Mitarbeiter demonstriert einen Unfall mit schlimmen Folgen. Er steuert einen Wagen mit 50 Stundenkilometern auf ein Fahrrad zu, auf dem ein Dummy befestigt ist. Trotz Vollbremsung kommt es zum Aufprall. Dummy und Rad fliegen durch die Luft und bleiben etwa zehn Meter vor dem Auto liegen. Die Wucht des Aufpralls wird durch eine dicke Beule in der Motorhaube und eine zersplitterte Frontscheibe deutlich.

Döbber fragt die zuschauenden Juristen als „Zeugen“ nach Details: Waren am Pkw Licht und Blinker eingeschaltet? Handelte es sich um ein Damen- oder ein Herrenfahrrad? Kaum eine Antwort ist richtig. „Das zeigt, wie differenziert im Einzelfall Zeugenaussagen zu bewerten sind und welche falsche Wahrnehmungen sie haben“, sagt Döbber.

Viele staunende Gesichter der Juristen gibt es bei der Simulation einer Verkehrssituation mit Blick aus einem Lastwagen. Die Teilnehmer steigen in das Führerhaus eines 40-Tonners.

Sie sind überrascht, dass sie trotz vieler Spiegel am Lkw weder den Radfahrer noch einen danebenstehenden Pkw sehen können. Das ist der berühmte „tote Winkel“. „Eine Lösung wären hochmoderne Kameras. Da stellt sich aber die Frage, ob Unternehmen diese teure Technik für ihre Lkw anschaffen wollen“, sagt Döbber.

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